Die Räum- und Streupflicht

Zwei Fußgänger müssen gefahrlos aneinander vorbeigehen können

Nach dem Zivilrecht muss jeder, der für eine Gefahrenquelle verantwortlich ist, die notwendigen Vorkehrungen zum Schutz Dritter treffen. Dazu gehört auch, im Winter die Gehwege in verkehrssicherem Zustand zu halten. Bei Privatwegen trifft diese Verkehrssicherungspflicht grundsätzlich den oder die Grundstückseigentümer. Auf öffentlichen Straßen und Wegen obliegt die Räum- und Streupflicht grundsätzlich den Gemeinden; Gemeinden in Bayern können jedoch gemäß Artikel 51 Absatz 4 und 5 des Bayerischen Straßen- und Wegegesetzes diese ihnen obliegende Pflicht durch Rechtsverordnung auf die Eigentümer der angrenzenden (Vorderlieger) oder über sie erschlossenen Grundstücke (Hinterlieger) übertragen, wovon in der Regel auch Gebrauch gemacht wird. Für den Fall des Bestehens eines Erbbaurechtes oder Nießbrauches können die daraus Berechtigten gleichermaßen verpflichtet werden.

Die Landeshauptstadt München, etwa, hat denn auch den genannten Personenkreis für die innerhalb der geschlossenen Ortslage gelegenen Grundstücke durch §§ 3 und 5 der Straßenreinigungs- und -sicherungsverordnung zwar grundsätzlich zum Räumen und Streuen der öffentlichen Straßen und Wege im Winter verpflichtet; sie hat jedoch in § 12 der Verordnung in Verbindung mit § 2 der Straßenreinigungssatzung Verpflichtete im Vollanschlussgebiet von dieser Pflicht wieder ausgenommen. Dieses Gebiet umfasst in etwa das Gebiet innerhalb und einschließlich des Mittleren Ringes und das Kerngebiet von Pasing.

Für von dieser Ausnahme nicht erfasste Verpflichtete gilt, dass sich die Räum- und Streupflicht bei einem frei zugänglichen Privatweg grundsätzlich auch nicht durch das Aufstellen von Warn- oder Verbotsschildern, wie zum Beispiel "Privatweg - Betreten auf eigene Gefahr" umgehen lässt (vgl. Urteil des Oberlandesgerichtes Saarbrücken vom 20.07.2004, Az.: 4 U 644/03-116). Das Ignorieren eines solchen Schildes kann jedoch im Einzelfall zu einem Mitverschulden des Geschädigten führen.

Übertragung der Sicherungspflicht

Auch Mieter können für die Verkehrssicherheit von Straßen und Wegen verantwortlich sein, wenn sie vertraglich zum Räumen und Streuen verpflichtet sind. Voraussetzung hierfür ist jedoch eine eindeutige Vereinbarung im Mietvertrag. Auch eine formularmäßige Übertragung der Verkehrssicherungspflicht in der Hausordnung ist möglich, sofern die Hausordnung Bestandteil des Mietvertrages ist. Bei einer Wohnungseigentümergemeinschaft obliegt die Räum- und Streupflicht grundsätzlich allen Wohnungseigentümern gemeinsam. Sie können ihre Pflicht aber ebenfalls auf andere Personen (zum Beispiel einem Hausmeister oder einem privaten Räum- und Streudienst) übertragen. Überträgt der Sicherungsverpflichtete die ihm obliegende Räum- und Streupflicht auf Dritte, wird er jedoch nicht von jeglicher Verantwortung befreit. Vielmehr ist er weiterhin verpflichtet, den Beauftragten in regelmäßigen Zeitabständen daraufhin zu überwachen, ob dieser seine ihm übertragenen Aufgaben auch sorgfältig und sachgerecht erfüllt (Kontroll- und Überwachungspflicht).

Wie, wann und wie oft ist zu räumen

Der Umfang der Räum- und Streupflicht richtet sich nach den örtlichen Verhältnissen. Regelmäßig ist es ausreichend, einen Fußweg in einer Breite von 1 bis 1,2 Meter schnee- und eisfrei zu halten, so dass zwei Fußgänger gefahrlos aneinander vorbeigehen können (vgl. nur Urteil des Bundesgerichtshofes vom 21.02.2018, Az.: VIII ZR 255/16). An gefährlichen Stellen kann aber auch eine weitergehende Räumung erforderlich sein. Aus Gründen des Umweltschutzes sollte man zur Eis- und Schneefreimachung Streusalz möglichst nicht verwenden. In manchen Städten und Gemeinden ist die Verwendung sogar ausdrücklich verboten. Für die Landeshauptstadt München, etwa, ergibt sich dies aus § 5 Abs. 2 der Straßenreinigungs- und -sicherungsverordnung.

Beginn und Ende der Räum- und Streupflicht richten sich, wenn in den örtlichen Vorschriften nichts anderes bestimmt ist, nach dem üblichen Zeitraum des allgemeinen Fußgängerverkehrs. Dieser beginnt an Werktagen in der Regel um 7.00 Uhr morgens und endet meist um 20.00 Uhr abends. An Sonn- und Feiertagen kann die Räum- und Streupflicht aber auch später, zum Beispiel erst ab 8.00 Uhr morgens einsetzen. Während dieser Zeit muss alsbald nach Eintritt der Glätte oder nach Ende des Schneefalls geräumt oder gestreut werden. Die Räum- und Streumaßnahmen sind innerhalb der Räumzeiten grundsätzlich so oft zu wiederholen, als dies zur Verhütung von Stürzen objektiv erforderlich ist. Nur ausnahmsweise sind Sicherungsmaßnahmen so lange nicht erforderlich, als ein Räumen und Streuen wegen den konkreten Wetterbedingungen (zum Beispiel bei anhaltendem Schneefall oder Glatteisregen) zwecklos wäre. In diesem Fall muss mit dem Räumen und Streuen erst nach dem Abklingen der Niederschläge wieder begonnen werden, wobei dem Pflichtigen nach einem Urteil des Oberlandesgerichtes Celle vom 27.02.2004 (Az.: 9 U 220/03) nach dem Ende der Niederschläge auch noch eine angemessene Beobachtungs- und Vorbereitungszeit zuzubilligen ist, die nach Ansicht des Gerichts bis zu einer Stunde betragen kann.

Absicherung des Haftpflichtrisikos

Stürzt ein Fußgänger auf dem schnee- oder eisglatten Gehweg, weil nicht oder nur unzureichend geräumt oder gestreut wurde, hat der Sicherungspflichtige für den dadurch entstehenden Schaden Ersatz zu leisten. Und das kann sehr teuer werden. Denn der in Anspruch genommene Sicherungsverpflichtete haftet für Arzt- und Krankenhauskosten sowie für einen etwaigen Verdienstausfall und Schmerzensgeld. Gegen solche Schadenersatzansprüche kann man sich jedoch durch den Abschluss einer entsprechenden Haftpflichtversicherung schützen. Mitglieder des Eigenheimerverbandes sind für das mit der Mitgliedschaft versicherte Objekt sogar automatisch, ohne zusätzlichen Beitrag, über die im Rahmen ihrer Mitgliedschaft bestehende Haus- und Grundstückshaftpflichtversicherung abgesichert. Mehrere Objekte können über Mehrfachmitgliedschaften versichert werden.

 
 

           Karl Schmelzing
Jurist beim Eigenheimerverband Bayern e.V.


 

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