Bayern stärkt Nachbarrechte
Dämmung einer Grenzwand muss jetzt geduldet werden
Um Heizkosten zu sparen entschließen sich immer mehr Hausbesitzer dazu, die Außenwände ihres Gebäudes zu dämmen. Handelt es sich bei der zu dämmenden Wand um eine Grenzwand, führt dies jedoch häufig zu Streitigkeiten mit dem Nachbarn, da durch die Anbringung der Wärmedämmung zwangsläufig auf das Nachbargrundstück übergebaut wird. Nach der bisher geltenden Rechtsprechung (Oberlandesgericht Karlsruhe, Urteil vom 9. Dezember 2009, Az.: 6 U 121/09) musste der Nachbar grundsätzlich nicht dulden, dass die Wand eines an der Grundstücksgrenze errichteten Gebäudes mit Wärmedämmplatten versehen wird, die in den Luftraum seines Grundstücks ragen. Denn alleine das Interesse an einer verbesserten Wärmedämmung als energetischer Maßnahme reichte nach Ansicht des Gerichts für die Annahme einer aus dem nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis abgeleiteten Duldungspflicht nicht aus.
Überbau durch Wärmedämmung
Damit Hausbesitzer auch Grenzwände nachträglich energetisch sanieren und auf diese Weise einen Beitrag zum Klimaschutz leisten können, ist in Bayern zum 1. Januar 2012 der neue Artikel 46a „Überbau durch Wärmedämmung“ in das Bayerische Ausführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch (BayAGBGB) aufgenommen worden. Danach haben der Eigentümer und der Nutzungsberechtigte eines Grundstückes eine überbauende Wärmedämmung zu dulden, soweit sie hierdurch in der Nutzung ihres Grundstücks nicht oder nur geringfügig beeinträchtigt werden. Nach der Begründung zum Gesetzentwurf dürfte dies bei Verwendung üblicher Dämmstoffe mit einer Breite von 10 bis 30 cm wegen der geringen Dicke in der Regel der Fall sein. Die Duldungspflicht endet, wenn der Nachbar die ernsthafte Absicht hat, die Nutzung seines Grundstücks zu verändern, er jedoch durch die überbaute Wärmedämmung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen an einer Realisierung seiner Absicht gehindert ist. Dies wäre zum Beispiel dann der Fall, wenn der Nachbar zu einem späteren Zeitpunkt in baurechtlich zulässiger Weise bis an die Grundstücksgrenze an die Grenzwand anbauen möchte und ihm dabei die überbauende Wärmedämmung im Wege steht. Des Weiteren setzt die Duldungspflicht voraus, dass das Aufbringen der Wärmedämmung öffentlich-rechtlichen Vorschriften nicht widerspricht und dass eine vergleichbare Wärmedämmung auf andere Weise als durch eine Außendämmung mit vertretbarem Aufwand nicht vorgenommen werden kann.
Als Ausgleich für den Überbau hat der Nachbar einen Anspruch auf Zahlung einer Überbaurente (§§ 912 Absatz 2, 913, 914 BGB). Bemessungsgrundlage für die Höhe dieser Rente ist der Verkehrswert des überbauten Grundstückteils zum Zeitpunkt der Grenzüberschreitung. Der Eigentümer und jeder Nutzungsberechtigte des überbauten Grundstücks können auch verlangen, dass die Wärmedämmung in einem ordnungsgemäßen Zustand erhalten wird. Entsteht dem Nachbarn durch den Überbau ein Schaden, ist dieser ohne Rücksicht auf Verschulden von dem Veranlasser des Überbaus zu ersetzen.
Hammerschlags- und Leiterrecht
Um eine Grenzwand dämmen zu können, muss in der Regel das Nachbargrundstück betreten und dort vielleicht sogar ein Baugerüst aufgestellt werden. Bisher wurde eine Duldungspflicht des Nachbarn zum Betreten seines Grundstückes zur Durchführung notwendiger Arbeiten an einer Grenzwand aus dem nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis abgeleitet. Eine Rechtsvorschrift, wonach der Nachbar zur Duldung verpflichtet ist, gab es, anders als in anderen Bundesländern, in Bayern bisher nicht. Seit Anfang dieses Jahres ist das sogenannte „Hammerschlags- und Leiterrecht“ nun auch in Bayern im Artikel 46b BayAGBGB gesetzlich geregelt. Danach müssen der Eigentümer und der Nutzungsberechtigte eines Grundstücks dulden, dass ihr Grundstück von dem Eigentümer oder dem Nutzungsberechtigten des Nachbargrundstücks sowie von diesem beauftragten Personen (wie zum Beispiel Handwerkern oder Architekten) zwecks Errichtung, Veränderung, Instandhaltung oder Beseitigung einer baulichen Anlage betreten wird und dass auf dem Grundstück Gerüste und Geräte aufgestellt werden oder auf dieses übergreifen sowie die zu den Arbeiten erforderlichen Baustoffe über das Grundstück gebracht oder dort niedergelegt werden. Diese Duldungspflicht besteht jedoch nur insoweit, als dass das Vorhaben anders nicht oder nur mit unverhältnismäßig hohen Kosten durchgeführt werden kann, die mit der Duldung verbundenen Nachteile oder Belästigungen nicht außer Verhältnis zu dem von dem Berechtigten erstrebten Vorteil stehen und das Vorhaben öffentlich-rechtlichen Vorschriften nicht widerspricht.
Das Hammerschlags- und Leiterrecht ist so schonend wie möglich auszuüben und auf die berechtigten Belange des Nachbarn ist Rücksicht zu nehmen. Auch bei der Wahl des Zeitpunkts, zu dem die Arbeiten durchgeführt werden sollen, sind die Interessen des Nachbarn zu berücksichtigen. Die Absicht, das Nachbargrundstück zur Durchführung von Arbeiten zu betreten, sowie Art und Dauer der Arbeiten sind mindestens einen Monat vor deren Beginn dem Eigentümer und dem Nutzungsberechtigten des betroffenen Grundstücks anzuzeigen. Verursachen die Bauarbeiten beim Duldungsverpflichteten einen Schaden, ist dieser ohne Rücksicht auf ein Verschulden zu ersetzen. Um die Durchsetzbarkeit eines etwaigen Schadensersatzanspruchs zu sichern, kann der Duldungsverpflichtete vor Beginn der Arbeiten die Leistung einer Sicherheit verlangen. Die Verpflichtung zur Anzeige und zur Sicherheitsleistung entfällt, wenn die Arbeiten zur Abwendung einer gegenwärtigen erheblichen Gefahr erforderlich sind. Dauern die Arbeiten nicht länger als eine Woche, hat der Eigentümer oder Nutzungsberechtigte dies entschädigungslos hinzunehmen. Übersteigen die Arbeiten jedoch einen Zeitraum von einer Woche, hat der Duldungsverpflichtete für die gesamte Zeit der Benutzung einen Entschädigungsanspruch in Höhe der ortsüblichen Miete für einen dem benutzten Grundstücksteil vergleichbaren gewerblichen Lagerplatz.
Aber Vorsicht!
Auch dann, wenn ein Nachbar aufgrund des gesetzlich neu eingeführten Überbaurechts sowie des Hammerschlags- und Leiterrechts die Inanspruchnahme seines Grundstückes zu dulden hat, darf dieses trotzdem nicht eigenmächtig betreten werden. Auch in diesen Fällen ist das vorherige Einverständnis des Nachbarn einzuholen. Verweigert der Nachbar pflichtwidrig seine Zustimmung, muss das Betretungsrecht wie bisher auch mit gerichtlicher Hilfe durchgesetzt werden.
Rainer Schmitt
Jurist beim Eigenheimerverband Bayern e.V.