Betreten des Nachbargrundstückes
Gegen den Willen des Nachbarn ist es ein Hausfriedensbruch
Foto: Syda Productions/Adobe Stock
Es gibt eine Vielzahl von Gründen, die ein Betreten des Nachbargrundstückes erfordern. So ist zum Beispiel ein Hinterliegergrundstück nur über das Vorderliegergrundstück erreichbar oder eine Grenzwand kann nur vom Nachbargrundstück aus renoviert werden. Aber auch dann, wenn ein Betreten des Nachbargrundstückes erforderlich ist, darf dieses grundsätzlich nur mit Zustimmung des Nachbarn betreten werden. Ohne dessen Zustimmung ist das Betreten nur ausnahmsweise zur Abwendung einer konkreten Gefahr oder aufgrund eines Betretungsrechtes zulässig. Wird das Grundstück gegen den Willen des Nachbarn widerrechtlich betreten, ist dadurch in der Regel der Tatbestand des Hausfriedensbruches erfüllt und der Nachbar kann dies zur Anzeige bringen. Unter welchen Voraussetzungen ein Nachbar das Betreten seines Grundstückes zu dulden hat und welche Betretungsrechte es gibt, wird nachfolgend aufgezeigt.
Gestattung
Der Eigentümer eines Grundstückes kann einem Dritten durch eine formlose Vereinbarung oder durch einen schuldrechtlichen Vertrag das Betreten seines Grundstückes gestatten. Eine solche Gestattung kann aber, sofern nichts anderes vereinbart ist, ohne Angabe von Gründen jederzeit frei widerrufen werden und ist bei einem Verkauf des Grundstückes für den neuen Eigentümer auch nicht bindend.
Grunddienstbarkeit
Über eine Grunddienstbarkeit (zum Beispiel einem Geh- und Fahrtrecht) kann auf Dauer, auch gegenüber einem Rechtsnachfolger, das Recht zum Betreten eines fremden Grundstückes begründet werden. Zur Wirksamkeit einer Grunddienstbarkeit bedarf diese der notariellen Bestellung und der Eintragung ins Grundbuch. Der Umfang des Betretungsrechts ergibt sich aus der notariellen Bestellungsurkunde.
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Notwegerecht
Fehlt einem Grundstück (zum Beispiel einem Hinterliegergrundstück) die zur ordnungsgemäßen Benutzung notwendige Verbindung zu einem öffentlichen Weg, muss der Nachbar das Betreten seines Grundstückes zur Herstellung der erforderlichen Verbindung dulden (§ 917 BGB). Der Nachbar, über dessen Grundstück der Notweg führt, ist durch eine Geldrente zu entschädigen. Das Notwegerecht besteht nicht, wenn eine vorhandene Verbindung mit einem öffentlichen Weg durch eine willkürliche Handlung (zum Beispiel durch eine Bebauung des Grundstückes) aufgehoben wird.
Notstand
Zur Abwendung einer konkreten Gefahr oder eines Schadens darf ein Nachbargrundstück grundsätzlich auch ohne vorherige Zustimmung des Nachbarn betreten werden (§ 904 BGB). Dies ist zum Beispiel dann der Fall, wenn ein über die Grenze gewachsener Ast vom Baum des Nachbarn nach einem Sturm abzubrechen droht und abgeschnitten werden muss und der Nachbar zeitnah nicht erreichbar ist.
Verfolgungsrecht
Gelangt eine Sache (zum Beispiel das entlaufene Haustier oder der Fußball der im eigenen Garten spielenden Kinder) auf das Grundstück des Nachbarn, so hat dieser das Betreten seines Grundstückes und das Wegschaffen der Sache zu gestatten (§ 867 BGB). Aber auch dieses Verfolgungsrecht begründet in der Regel nur eine Duldungspflicht des Nachbarn zum Betreten seines Grundstückes. Verweigert der Nachbar sein Einverständnis zum Zurückholen der Sache (zum Beispiel des Fußballes), bleibt auch in diesem Fall nichts anderes übrig, als den Nachbarn gerichtlich auf Herausgabe zu verklagen. Nur in Notfällen, darf das Nachbargrundstück ausnahmsweise auch ohne Zustimmung des Nachbarn betreten werden. Ein solcher Notfall liegt zum Beispiel bei einem entlaufenen Haustier vor, da ein Aufschub des Verfolgungsrechtes den wahrscheinlichen Verlust des Haustieres bedeuten würde.
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Nachbarliches Gemeinschaftsverhältnis
In vielen Fällen können notwendige Arbeiten am eigenen Grundstück nur vom Nachbargrundstück aus durchgeführt werden. So kann zum Beispiel eine Grenzwand nur vom Nachbargrundstück aus renoviert oder der Überwuchs einer an der Grenze stehende Hecke nur von diesem aus zurückgeschnitten werden. In diesen Fällen hat ein Nachbar das Betreten seines Grundstückes nach den von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen des nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses (§ 242 BGB) zu dulden.
Foto: jojojo07/Adobe StockIn Bayern ist das Betretungsrecht zur Ausführung von Arbeiten am eigenen Grundstück als „Hammerschlags- und Leiterrecht“ im Artikel 46b BayAGBGB gesetzlich geregelt. Danach muss ein Nachbar dulden, dass sein Grundstück zwecks Errichtung, Veränderung, Instandhaltung oder Beseitigung einer baulichen Anlage betreten wird und dass auf seinem Grundstück Gerüste und Geräte aufgestellt werden sowie die zu den Arbeiten erforderlichen Baustoffe über das Grundstück gebracht oder dort niedergelegt werden. Diese Duldungspflicht besteht jedoch nur insoweit, als dass das Vorhaben anders nicht oder nur mit unverhältnismäßig hohen Kosten durchgeführt werden kann, die mit der Duldung verbundenen Nachteile oder Belästigungen nicht außer Verhältnis zu dem von dem Berechtigten erstrebten Vorteil stehen und das Vorhaben öffentlich-rechtlichen Vorschriften nicht widerspricht. Das Hammerschlags- und Leiterrecht ist so schonend wie möglich auszuüben und auf die berechtigten Belange des Nachbarn ist Rücksicht zu nehmen. Die Absicht, das Nachbargrundstück zur Durchführung von Arbeiten zu betreten, sowie Art und Dauer der Arbeiten sind dem Nachbarn mindestens einen Monat vor deren Beginn anzuzeigen. Wird durch die Bauarbeiten ein Schaden verursacht, ist dieser ohne Rücksicht auf ein Verschulden zu ersetzen. Um die Durchsetzbarkeit eines etwaigen Schadensersatzanspruchs zu sichern, kann der Nachbar vor Beginn der Arbeiten die Leistung einer Sicherheit verlangen. Dauern die Arbeiten nicht länger als eine Woche, hat der duldungsverpflichtete Nachbar dies entschädigungslos hinzunehmen. Übersteigen die Arbeiten jedoch einen Zeitraum von einer Woche, hat er für die gesamte Zeit der Benutzung einen Entschädigungsanspruch in Höhe der ortsüblichen Miete für einen dem benutzten Grundstücksteil vergleichbaren gewerblichen Lagerplatz.
Achtung: Auch wenn ein Nachbar die Inanspruchnahme seines Grundstückes zu dulden hat, darf dieses trotzdem nicht eigenmächtig betreten werden. Auch in diesen Fällen ist das vorherige Einverständnis des Nachbarn einzuholen. Verweigert der Nachbar pflichtwidrig seine Zustimmung, muss das Betretungsrecht mit gerichtlicher Hilfe durchgesetzt werden.
Rainer Schmitt
Jurist beim Eigenheimerverband Bayern e.V.