Baurechtliche Abstandsflächen

Wie nah der Nachbar an die Grenze bauen darf

Vor den Außenwänden von Gebäuden sind, sofern kein Ausnahmefall vorliegt und das Gebäude aus planungsrechtlichen Gründen auch nicht an der Grenze errichtet werden muss bzw. darf, grundsätzlich Grenzabstände, die sogenannten Abstandsflächen zum Nachbargrundstück freizuhalten. Die Abstandsflächenregelungen dienen zum einen dem Brandschutz und sollen zum anderen für das Nachbargrundstück eine ausreichende  Belichtung und Belüftung gewährleisten. In Bayern ist das Abstandsflächenrecht in Artikel 6 der Bayerischen Bauordnung (BayBO) geregelt.

Die einzuhaltende Abstandsfläche bemisst sich in der Regel nach der Wandhöhe (H), die senkrecht zur Wand gemessen wird. Als Wandhöhe gilt dabei das Maß von der Geländeoberfläche bis zum Schnittpunkt der Wand mit der Dachhaut oder bis zum oberen Abschluss der Wand. Die Höhe von Dächern mit einer Neigung von bis einschließlich 70 Grad wird zu einem Drittel der Wandhöhe, von Dächern mit einer Neigung von mehr als 70 Grad voll der Wandhöhe hinzugerechnet.

In Wohngebieten sind als Abstandsfläche grundsätzlich 0,4 H (40% der Wandhöhe) zum Nachbargrundstück freizuhalten. Der zum Nachbargrundstück einzuhaltende Mindestabstand muss auf jeden Fall aber mindestens 3 m betragen. Die Gemeinden können durch Satzung für Ihr Gemeindegebiet oder für Teile hiervon aber auch ein abweichendes Maß der Tiefe der Abstandsflächen zulassen oder vorschreiben.

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In Gemeinden mit mehr als 250.000 Einwohnern sind als Abstand zum Nachbargrundstück die volle Wandhöhe (1 H), mindestens jedoch 3 m einzuhalten. Vor bis zu zwei Außenwänden von nicht mehr als 16 m Länge genügen in diesen Fällen die halbe Wandhöhe (0,5 H), mindestens jedoch 3 m. In diesen Gemeinden wird die Höhe von Dächern mit einer Neigung von mehr als 45 Grad zu einem Drittel, mit einer Neigung von mehr als 70 Grad voll der Wandhöhe hinzugerechnet.

Bei der Bemessung der Abstandsflächen bleiben außer Betracht:

  • vor die Außenwand vortretende Bauteile wie Gesimse und Dachüberstände;
  • untergeordnete Vorbauten wie Balkone und eingeschossige Erker, wenn sie insgesamt nicht mehr als ein Drittel der Breite der Außenwand des jeweiligen Gebäudes, höchstens jedoch insgesamt 5 m, in Anspruch nehmen, sie nicht mehr als 1,50 m vor diese Außenwand vortreten und mindestens 2 m von der gegenüberliegenden Nachbargrenze entfernt bleiben;
  • bei Gebäuden an der Grundstücksgrenze die Seitenwände von Vorbauten und Dachaufbauten, auch wenn sie nicht an der Grundstücksgrenze errichtet werden;
  • Maßnahmen zum Zwecke der Energieeinsparung an bestehenden Gebäuden, wenn sie eine Stärke von nicht mehr als 0,25 m aufweisen und mindestens 2,50 m von der Grundstücksgrenze zurückbleiben.

Die Abstandsflächen müssen grundsätzlich auf dem Baugrundstück selbst liegen und dürfen sich in der Regel nicht überdecken. Sie können sich aber über die Grundstücksgrenze hinaus auch auf öffentliche Verkehrsflächen, öffentliche Grünflächen und öffentliche Wasserflächen erstrecken, jedoch nur bis zur Mitte dieser öffentlichen Flächen. Ausnahmsweise können sich die einzuhaltenden Abstandsflächen auch ganz oder teilweise auf das Nachbargrundstück erstrecken, wenn rechtlich oder tatsächlich gesichert ist, dass diese Flächen nicht überbaut werden, oder wenn der Nachbar gegenüber der Bauaufsichtsbehörde schriftlich der Abstandsflächenübernahme zugestimmt hat. Die übernommenen Abstandsflächen müssen zusätzlich zu den für die Bebauung des Nachbargrundstücks vorgeschriebenen Abstandsflächen von der Bebauung freigehalten werden. Eine vom Nachbarn erklärte Zustimmung gilt auch für und gegen seinen Rechtsnachfolger.

Neben der allgemeinen Abstandsflächenregelung des Artikels 6 enthält die Bayerische Bauordnung auch noch spezielle brandschutzrechtliche Abstandsvorschriften.                        So müssen zum Beispiel Wohngebäude mit weicher Bedachung (zum Beispiel aus Stroh oder Reet) im Einzelfall sogar einen Grenzabstand von bis zu 12 m einhalten (Artikel 30 Absatz 2 BayBO).

Ausnahmsweise keine Abstandsflächen einzuhalten sind bei Garagen einschließlich deren Nebenräume, überdachten Tiefgaragenzufahrten, Aufzügen zu Tiefgaragen sowie Gebäuden ohne Aufenthaltsräume und Feuerstätten (wie zum Beispiel Geräteschuppen) mit einer mittleren Wandhöhe bis zu 3 m und einer Gesamtlänge der Außenwände aller Grenzbauten zusammen von 9 m je Grundstücksgrenze. Bei der zulässigen mittleren Wandhöhe von 3 m wird die Höhe von Dächern mit einer Neigung von mehr als 45 Grad zu einem Drittel, mit einer Neigung von mehr als 70 Grad voll der Wandhöhe hinzugerechnet. Insgesamt darf die Grenzbebauung auf dem gesamten Grundstück jedoch 15 m nicht überschreiten. Die in den Abstandsflächen zulässigen Gebäude müssen seit Inkrafttreten der neuen Bayerischen Bauordnung im Jahre 2008 nicht mehr wie früher direkt an die Grenze gebaut werden, sondern können auch ohne Einhaltung eines Mindestabstandes zur Nachbargrenze errichtet werden.

Unabhängig von den Abstandsflächenvorschriften der Bayerischen Bauordnung ist in einigen Gebieten durch Bebauungspläne festgelegt, wie nah an die Nachbargrenze gebaut werden darf. In der Regel erfolgt dies durch die Festsetzung von Baulinien und Baugrenzen. Enthält ein Bebauungsplan eine Baulinie, muss das Gebäude direkt an dieser Linie errichtet werden. Bei einer Baugrenze hingegen darf das zu errichtende Gebäude die Grenze nur nicht überschreiten, es darf jedoch auch von der Baugrenze zurückversetzt errichtet werden. Ob für ein bestimmtes Baugebiet ein Bebauungsplan besteht, kann über das zuständige Bauamt in Erfahrung gebracht werden.

Unter bestimmten Voraussetzungen sind von den gesetzlich vorgeschriebenen oder den durch Bebauungsplan festgelegten Abstandsflächen auch Abweichungen möglich (Artikel 63 BayBO). Die Entscheidung hierüber liegt letztendlich jedoch im Ermessen der Bauaufsichtsbehörde. Ein Rechtsanspruch des Bauherrn hierauf besteht in der Regel nicht.

Rainer Schmitt

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