Von alten Dachziegeln bis Fußboden- alte Bauteile wiederverwenden
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Zimmertüren, Holzbalken, Fußböden … warum gleich zum Baumarkt fahren, wenn man sie in besserer Qualität für weniger Geld bekommt und zugleich etwas Gutes für die Umwelt tut? Alleine 2018 wurden in Bayern 2,5 Millionen Tonnen „sonstige“ Bauabfälle entsorgt. Darunter viele Bauteile, die sich problemlos wiederverwenden lassen. Aus Haus- werden Zimmertüren, alte Heizkörper aus Gusseisen werden mit Wärmepumpen kombiniert, und alte Parkettfußböden geben Neubauten einen ganz besonderen Schliff. Alten Bauteilen ein neues Leben einzuhauchen – für Eigenheimer eine lohnenswerte Sache.
Dabei ist das alles nichts Neues: Seit Urzeiten wurden Steine und Balken aus aufgelassenen Burgen oder verfallenen Häusern an anderer Stelle wiederverwendet. So manch eine alte Eichenbohle stützt heute das zweite, dritte oder gar vierte Fachwerkhaus, und so manch alter Stein, der einst eine Stadtmauer stützte, ist heute wichtiger Teil einer Grundmauer.
Mit der Industrialisierung griff man dann immer öfter auf neues Material zurück. Maschinell gefertigte Produkte wurden günstiger als die Arbeitskraft, die zum mühsamen Ausbau der Teile benötigt wurde. Eine Ausnahme war die Stunde der „Trümmerfrauen“, die die Tradition nach dem Zweiten Weltkrieg notgedrungen wieder aufleben ließen.
Danach gingen das Interesse und das Wissen über die Wiederverwendung alter Bauteile endgültig verloren. „Damals musste alles nur noch neu sein. In den vergangenen Jahren aber ist das Bewusstsein darüber, dass man alte Bauteile wiederverwenden kann, wieder ins Bewusstsein gerückt“, erläutert Sabine Prenzel vom „Unternehmerverband Historische Baustoffe“. „Das merken wir auch an der Nachfrage. Das ist voll im Trend!“
Ein Trend, der mehrere Gründe hat: Einerseits spielen bei der Wahl für alte Baumaterialien ökologische Aspekte eine Rolle. Die Wiederverwendung alter Bauteile spart enorme Mengen an Energie und Rohstoffen und reduziert den CO2-Ausstoß und den Wasserverbrauch. Berechnungen haben ergeben, dass allein die Herstellung eines einzelnen Mauersteins 0,2 l Öl benötigt, die Herstellung eines Kunststofffensters schlägt mit 270 kWh zu Buche, die eines Waschbeckens mit 130 kWh.
Alte Bauteile haben aber auch andere Vorteile: „Es spielen auch optische Aspekte eine Rolle. Diese Dinge sind meist sehr wertig, man hat früher massiver gebaut, man muss sich nur mal anschauen, wie dick die alten Balken sind. Das sieht einfach toll aus und hat eine Unverwechselbarkeit“, erzählt Prenzel.
Für jeden was dabei
Dabei gilt es zu unterscheiden zwischen historischen Teilen aus der Zeit vor 1945 und Teilen aus der Zeit danach. Auf die historischen Bauteile haben sich in Deutschland ein paar Dutzend Anbieter spezialisiert. Georgia Wittmaack etwa betreibt einen Handel für historische Bauteile in München. In ihrer Wohngalerie sind einige Objekte ausgestellt. „Der Trend geht zu Baustoffen mit Geschichte beim High-end-Bauen. Besonders gefragt sind Steinböden aus Solnhofener Platten, Burgundsteinen und Terrakotten sowie Fischgrät und Tafelparkett oder Dielen aus Eiche. Begehrt sind auch Öfen jeglicher Art, offene Kamine und sogar Gartenobjekte – von Gewächshäusern bis hin zu Brunnen“, erläutert sie. Vieles davon hat seinen Preis, etwa aufgrund des Alters oder der besonderen Handwerkskunst, und vieles davon ist nicht für jede Wohnung geeignet. Trotzdem können Eigenheimer hier Sachen finden, die ihr Haus besonders aufwerten.
Noch interessanter ist aber vielleicht der Markt für alte Zimmertüren, Bodenbeläge und Co. aus der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg. Hier sind digitale Marktplätze oder Bauteilbörsen mit ihren großen Lagern die besten Quellen. „Wir versuchen, immer eine große Palette verschiedener Bauteile für die Eigenheimbesitzer bereitzuhalten. Wir haben z.B. Treppen, die in der Regel genormt sind und sich gut wieder einbauen lassen. Auch Fenster lassen sich gut wiedereinsetzen, vor allem wenn sie dreifachverglast sind. Wichtig ist, dass sie die Anforderungen an ihrem neuen Einsatzort erfüllen“, erklärt Ute Dechantsreiter, Architektin und Geschäftsführerin vom „Bundesverband bauteilnetz Deutschland“.
Von Dachziegel bis Fußboden
Foto: Datenplattform/ Adobe Stock
Wiederverwendet wird fast alles: alte Steine, Fliesen, Fußböden aus Holz oder Stein, Wandverkleidungen, Holzdecken, Sanitäreinrichtungen, Heizkörper, Konstruktionshölzer, Dachziegel, Treppen, Türen, Fenster, Beschläge, Metallbauteile, Konsolen oder Vordächer. Dabei gibt es immer wieder regionale Besonderheiten zu beachten, besonders bei Dachziegeln oder Mauersteinen. Die gefragtesten Teile sind Türen und Tore, vor allem, weil sie sich einfach aus- und einbauen lassen.
Die alten Materialien haben ihre Qualitätsprüfung schon hinter sich, indem sie sich jahrelang als Teil eines Gebäudes bewährt haben. Bei der Verwendung sind der Fantasie keine Grenzen gesetzt. „Man denkt in erster Linie nur an den Einsatz bei Renovierungen oder historischen Bauten. Wir haben aber auch viele junge Leute, die alte Baustoffe an anderer Stelle einsetzen. Man kann aus einer alten Haustür einen Windfang oder eine Wohnzimmertür machen. Man kann auch ein Dach mit Hartplatten verschalen und darauf alte Dachpfannen setzen. Ebenso gut sind alte Fliesenböden wiederzuverwenden. Besonders in Süddeutschland empfehlen sich alte Dielenböden aus Holz“, rät Sabine Prenzel.
Von Stein bis Heizung
Bei den Steinen sind vor allem Natursteine beliebt. Darüber hinaus werden – je nach Region unterschiedlich – Mauerziegel stark nachgefragt. Bis ca. 1940 wurden sie in Kalkmörtel eingebettet und können daher problemlos geborgen werden. Durch die spätere Verwendung von Zement lassen sich Steine aus späteren Baujahren nicht mehr säubern.
Bei den Dachziegeln werden vor allem Biberschwanz, Krempziegel oder Hohlziegel gehandelt, wenn sie hand- oder maschinengeformt sind. Schon seit den 1880er Jahren werden sie allerdings industriell gefertigt, daher sind sie schwer zu bekommen.
Balken, Bretter oder Bohlen, vor allem aus Eiche oder Nadelhölzern, sind ebenfalls begehrt. Gerade sie können mit ihrer höheren Qualität punkten: Früher durften Bäume noch langsamer wachsen. Ein alter Eichenbalken kann daher bei gleichem Volumen mehr wiegen als ein heute gefertigter Balken. Da die alten Hölzer eine reizvolle Patina haben, werden sie oft zu Fußböden oder Wandverkleidungen umgearbeitet.
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Aufgrund ihrer geringen Dämmung werden alte Fenster meist für Schuppen oder Innenräume genutzt. Als etwa in Deutschlands Kneipen das Rauchverbot Einzug hielt, gab es eine große Nachfrage an einfach verglasten Fenstern. Historische Fenster, wie Kastendoppelfenster, lassen sich aber auch aufdämmen, was allerdings mit großem Aufwand verbunden ist. Das Gleiche gilt für Gussfenster aus Metall, bei denen Doppellösungen denkbar sind. Ein Problem sind die unzähligen Maße, die die Suche nach einem passenden Stück oftmals schwierig machen.
Ehemalige Haustüren können bei alten Gebäuden wiederverwendet werden, müssen dann aber aufgedämmt werden. Öfter kommen sie so als Wandverkleidung, Schuppen- oder Zimmertüren zum Einsatz. Innentüren können dagegen relativ problemlos neu genutzt werden, da hier keine besonderen Vorschriften zu beachten sind. Allerdings besitzen zumindest die älteren Türen keine einheitlichen Maße.
Treppen eignen sich ebenfalls gut für eine neue Verwendung. Gerade alte Holztreppen lassen sich gut ausbauen und haben oft eine hervorragende Qualität, was das Material und die handwerkliche Arbeit betrifft.
Holzfußböden, besonders Parkett, sind seit Langem sehr beliebt. Ob ein Fußboden aber neu verlegt werden kann, hängt u.a. davon ab, ob das Material noch mal geschliffen werden kann. Zudem können bitumen- und teerhaltige Klebstoffe ein Problem sein, die Schadstoffe enthalten und vor allem in den 50er und 60er Jahren verbaut wurden.
Fliesen werden meist zu Gestaltungszwecken verkauft, oft dienen sie aber zum Austausch beschädigter Stellen. Historische Fliesen sind in einem Mörtelbett, Sand oder Lehm verlegt und lassen sich einfach bergen. Wurden Zementmischungen verwendet, ist der Ausbau deutlich schwerer, bei Klebern nahezu unmöglich.
Erstaunlich ist die Entwicklung bei Heizkörpern, gerade alte, großvolumige Gussheizkörper aus der Zeit um 1900 lassen sich mit modernen Wärmepumpen kombinieren. Für die Neulackierung sowie Ausbau und Wartung summieren sich aber die Kosten.
Waschbecken aus den 70er und 80er Jahren werden heute als Ersatz nachgefragt, wenn ein Waschtisch beschädigt wurde und nicht das gesamte Bad saniert werden soll. Problematisch sind hier meist die zwei vorgefertigten Löcher für die Kalt- und Warmwasserarmaturen, die nicht zu modernen Mischhebeln passen. Im oberen Preissegment sind zudem besondere Objekte wie alte Badewannen mit Füßen gefragt.
Wissen, was man kauft
Foto: Denise Hasse/ iStockSo weit, so gut, es gibt aber auch Hürden: Oftmals können alte Teile aufgrund von gesetzlichen Vorschriften (Dämmung, Brandschutz, Schall, Statik) nicht wiederverwendet werden. Und vor allem bei Gebäuden, die in den 70er Jahren gebaut oder saniert wurden, können asbesthaltige Stoffe, gesundheitsschädliche Mineralwolle oder gefährliche Holzschutzmittel enthalten sein. „An diese Teile sollte man am besten gar nicht rangehen, und wenn, nur mit Schutzausrüstung. Deswegen sollte man vor dem Kauf eines Bauteils immer die Vorgeschichte abfragen“, rät Ute Dechantsreiter.
Oft gibt es auch Probleme mit Aufbauhöhen, gerade bei den begehrten Böden. Oder es treten technische Schwierigkeiten auf, etwa bei Holzdielen, die über eine Fußbodenheizung verlegt werden sollen – dies ist nur mit mehreren Schichten möglich.
Förderung Fehlanzeige
Trotzdem stellt sich die Frage, warum nicht viel häufiger alte Bauteile wiederverwendet werden. Oft werden sie beim Rückbau eines Gebäudes einfach entsorgt. Abbruchunternehmen mangelt es an fachkundigem Personal, das wertvolle Teile erkennen und schadlos ausbauen kann. Zudem gibt es in Deutschland kein Kommunikationssystem zum Wiedereinsatz und keine flächendeckenden Annahmestellen. „Man muss vor allem Architekten und Planer sensibilisieren. Ein Problem ist aber auch die Bürokratie, mit alten Steinen können Sie nur schwer DIN-Normen erfüllen. Da muss man eine Lösung finden“, fordert Sabine Prentzel.
Bauteilbörsen können zudem ohne finanzielle Unterstützung nicht wirtschaftlich arbeiten. Zu groß ist der Flächenbedarf, zu groß der Aufwand für Ausbau und Transport. Anfang der 90er Jahre wurden viele Bauteilbörsen mithilfe staatlicher Unterstützung gegründet, nach Auslaufen der Förderung musste ein Großteil von ihnen wieder schließen. Die einzigen Bauteilbörsen in Bayern, in Augsburg und Weißenburg, machten 2012 dicht.
„Zurzeit liegen der Service und die Beratung, vom schadensfreien Ausbau über Transport, Lager und Verkauf bis zum erneuten Einbau, in der Verantwortung der Bauteilbörsen. Hierfür brauchen wir ein anderes System. In den letzten Jahren wurde hierüber viel gesprochen, praktisch ist aber wenig passiert“, ärgert sich Ute Dechantsreiter.
Bislang wird etwa der Einsatz von alten Materialien nicht von der KfW oder Bafa gefördert. Dabei könnte man so auch CO2-Emissionen senken, wie es politisch gewollt und ökologisch sinnvoll ist.
Fragen Sie Ihre Nachbarn!
Aber auch Haus- und Wohnungsbesitzer denken noch zu selten daran, dass sie auf gebrauchte Teile zurückgreifen könnten. Dabei gibt es viele Möglichkeiten: Fündig kann man in Onlinebörsen werden. Eine Möglichkeit ist auch, einfach mal den Nachbarn zu fragen, ob er demnächst eine Sanierung plant. Oder man hört sich mal im Eigenheimerverein um – gerade in den Siedlungen der 50er, 60er und 70er Jahre sind viele Häuser baugleich, sodass etwa Innentüren problemlos übernommen werden können.
„Es lohnt sich, beim Baustoffhändler nebenan nach Restposten zu fragen. Oder beim Schreiner gibt es auch manchmal Fenster zweiter Wahl, die falsch bemessen sind, eine falsche Farbe oder eine kleine Macke haben. Fragen lohnt sich. Am besten, Sie gucken auch in den örtlichen Kleinanzeiger, da finden Sie dann auch mal eine Tür aus der Nachbarschaft, das spart Transportwege“, rät Ute Dechantsreiter. Noch einfacher ist es, sich bei den Händlern historischer Bauteile zu erkundigen, aber diese sind noch rar gesät.
Der Trend ist auf jeden Fall gesetzt: Immer öfter übersteigt hier die Nachfrage das Angebot. „Ich glaube, dass man in Zukunft verstärkt versuchen wird, historische Objekte in moderne Bauwerke zu integrieren. Die Patina eines alten Holzfußbodens ist zum Beispiel etwas ganz Besonderes, die man künstlich nicht herstellen kann. Da spürt man die Zeit, da spürt man die Epoche!“, schildert Georgia Wittmaack. Und so schafft man nicht nur etwas ganz Besonderes für sein Eigenheim, sondern lässt auch eine alte Tradition wieder aufleben.
Weitere Informationen ...Unternehmerverband Historische Baustoffe (Händlersuche, mit Such- und Angebotsfunktion): Bauteilnetz (zahlreiche Infos, Bauteilsuche): Online-Börsen: |