Natürliche Klimaanlage fürs Haus
Begrünte Dächer und Fassaden
Foto: Green City
Das Gras wiegt sich im Wind, Kräuter blühen dazwischen, und es summt und brummt, dazu Vogelgezwitscher. Einen Feldhasen wird man allerdings nicht entdecken, denn die Rede ist von einem begrünten Dach. Die gibt es immer häufiger. Warum das richtig und wichtig ist, erfahren Sie hier.
Wärmeinsel Stadt
Bis 2050 werden zwei Drittel der Weltbevölkerung in Städten leben. Der kontinuierliche Zuzug, Nachverdichtung und Auswirkungen des Klimawandels verändern die Lebensqualität in Städten und Gemeinden Stück für Stück. Nachverdichtungen, auch in den Gartenstädten am Stadtrand und in den Umlandgemeinden, vergrößern die Flächenversiegelung und erhöhen die Temperatur der „Wärmeinsel Stadt“ (Urban Heat Island).
Diese „Wärmeinsel“ entsteht durch viele versiegelte Flächen und auf engem Raum stehende Gebäude sowie Straßen, die tagsüber viel Wärme speichern und nachts wieder abgeben. Die für Menschen notwendige nächtliche Abkühlung findet nach mehreren heißen Tagen nicht mehr statt. Es entsteht wenig Kühle aufgrund fehlender Grün- und Wasserflächen, die dem Effekt der nächtlichen Wärmeabstrahlung entgegenwirken könnten.
Der Klimawandel verstärkt den Effekt der Wärmeinsel Stadt: Der Deutsche Wetterdienst hat schon im Sommer 2017 nachts Temperaturunterschiede von 10 °C zwischen aufgeheizter Stadt und Land festgestellt. Daher ergreifen viele Kommunen Maßnahmen zur Anpassung an den Klimawandel.
So werden z.B. Kaltluftschneisen zur besseren Durchlüftung freigehalten, Grünflächen vor Bebauung gesichert, Straßenbäume gepflanzt, Wasserflächen geschaffen und Förderprogramme für private Begrünungsmaßnahmen aufgestellt (Infoadressen zu Fördermitteln siehe Kasten auf Seite 25). Einige Städte, wie z.B. München, schreiben bei Neubauten sogar die Begrünung von Haus- und Garagendächern vor.
Bis kommunale Anpassungsmaßnahmen an den Klimawandel umgesetzt und die Auswirkungen spürbar sind, können einige Jahre vergehen. Die gute Nachricht, gerade für Haus- und Wohnungseigentümer: Sie können selbst etwas für eine schnellere Anpassung an den Klimawandel tun. Dächer, Fassaden, Garagen und vieles mehr können begrünt werden. Diese Begrünungen wirken wie natürliche „Klimaanlagen“ und tragen zur Verbesserung der Luftqualität bei.
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Warum Gebäudebegrünung?
Begrünung dient dem Schutz und der optischen Aufwertung eines Bauwerkes ebenso wie der Umgebung. Die Verbesserung des Mikroklimas im und um das Gebäude herum sowie zahlreiche weitere Vorteile gibt es sozusagen gratis dazu. Pflanzen, der Gartenboden und das Dachgartensubstrat (Boden) speichern das Niederschlagswasser, transpirieren es und erzeugen dadurch Verdunstungskälte.
Diese Verdunstungskälte kennt man, wenn man z.B. aus der Badewanne steigt und fröstelt. Die Verdunstung entzieht dem Körper Wärme. Dieser physikalische Effekt kühlt auch Gebäude im Sommer ab. Kletterpflanzen verschatten zusätzlich die Fassaden und Mauern und verhindern so zum großen Teil das Speichern von Wärmeenergie in den Wänden.
Die Pflanzen können nicht nur ein Gebäude im Sommer kühlen, sondern sie reduzieren auch die Schallreflexionen an Fassaden und Mauern, binden Feinstaub und CO₂, erhöhen die Dämmung, tragen zur Biodiversität bei, verhindern Graffiti und schützen Dach und Fassade vor extremen Temperaturschwankungen. Diese Schwankungen tragen zur schnelleren Alterung der Gebäudehülle bei, also zur Undichtigkeit der Dachabdichtungen und Rissbildung an Fassaden.
Welche Dächer können begrünt werden?
Foto: Optigrün
Grundsätzlich könnte man fast jedes Dach begrünen. Die Ausgangssituation spielt hierbei die entscheidende Rolle: Wird das Dach noch geplant oder existiert es schon? Die Statik muss für die zusätzliche Last einer Begrünung ausgelegt werden oder beim Bestandsdach entsprechend vorhanden sein. Eine Baugenehmigung ist für eine Dachbegrünung im Bestand in der Regel nicht nötig. Günstig ist es, bei Altbauten bei einer sowieso anstehenden Sanierung des Daches auch an eine Begrünung zu denken.
Intensive Dachbegrünung
Bei der Neuplanung können die Wünsche der Bauherren bezüglich der Ausgestaltung des Daches einfließen und entsprechend berücksichtigt werden. Flachdächer können intensiv begrünt und begehbar gestaltet werden, sodass sie sich fürs Gärtnern und zur Erholung eignen. Diese Variante bietet sich z.B. für Baugemeinschaften an, in denen sich mehrere Bauherren zusammengeschlossen haben.
So kann, im Vergleich zu einem begrünten Hof, eine sehr private und nicht einsehbare Freifläche geschaffen werden. In dicht bebauten Städten mit hohem Nutzungsdruck auf die Freiflächen und hohen Grundstückspreisen ist ein intensiv begrüntes, nutzbares Dach für die optimale Ausnutzung des Grundstücks sinnvoll.
Für ein intensiv begrüntes Dach können Pflanzen jeglicher Art verwendet werden – von Gräsern, Stauden, Gemüse und Sträuchern bis hin zu Bäumen. Ein automatisches Bewässerungssystem ist zwingend notwendig. Ein Bestandsgebäude zu begrünen, das in Eigentumswohnungen aufgeteilt ist, ist aber oft sehr schwierig, weil für diesen Eingriff ins Gebäude ein einstimmiger Beschluss in der Wohnungseigentümergemeinschaft herbeigeführt werden muss.
Extensive Dachbegrünung
Auf Bestandsdächern ist eine intensive Begrünung aus statischen Gründen in der Regel nicht möglich, ein mit Kies bedecktes Flachdach in eine extensive Dachbegrünung umzuwandeln, hingegen schon. Diese kann gewichtsneutral aufgebaut werden.
An die besonderen Anforderungen des Standorts angepasstes Substrat (Dachgartenerde) ist verwehsicher, speichert Wasser bei gleichzeitiger Durchlässigkeit gegen Staunässe und versorgt die Pflanzen mit Nährstoffen. Mit einem Gewicht von 50 bis 190 kg/m² sind die Substratschüttung und die Pflanzen zusammen mit der Drainschicht und dem Wurzelschutz ein leichtgewichtiges System. Da ein Kiesdach in der Regel keinen Wurzelschutz aufweist, muss die Dachabdichtung mit einer Wurzelschutzfolie geschützt werden.
Für die geringe Substratdicke sind Sedum, Kräuter und Gräser geeignet. Je höher die Substratschicht (ab 10 cm), desto höher ist der organische Anteil und desto besser ist die Wasserspeicherfähigkeit. So finden dort mehr unterschiedliche, auch größer werdende Pflanzen wie beispielsweise Stauden und Kleingehölze sowie Tiere einen Lebensraum.
Fotos: Heidenreich
Mit Textil-Substrat-Systemen, die schon mit einer Auswahl unterschiedlicher, auch größer werdender Pflanzen bewachsen sind, können Dächer sehr schnell begrünt werden, genauso wie mit in Kisten vorkultivierten Sedumarten. Manche Systemhersteller für Dachbegrünungen bieten auch Bausätze zum Selbermachen an. Garagen oder Carports können Sie so durchaus in Eigenarbeit begrünen. Auf Ihrem Hausdach sollten Sie aber nur Fachleuten die Arbeit überlassen!
Auch für Dächer bis 35° Dachneigung ist eine extensive Dachbegrünung möglich. Mit dem Einbau von Schubschwellen, die verhindern, dass der Begrünungsaufbau herunterrutscht, ist dieses System auch bis 45° Dachneigung realisierbar. Zur Pflege ist anzumerken, dass genauso wie bei einem Kiesdach mindestens einmal im Jahr Fremdaufwuchs, wie z.B. Gehölze, die sich selbst ausgesät haben, entfernt werden muss.
Wolfgang Heidenreich
Landschaftsarchitekt bdla,
Begrünungsbüro Green City e.V.
Förderprogramme zur Dachbegrünung in Bayern
Dachau
Programm zur Förderung von Begrünungsmaßnahmen
http://bit.ly/dachau-gruen
München
Grün in der Stadt
http://bit.ly/muenchen-gruen
Infos zum städtischen Förderprogramm auch bei Green City e.V.
http://bit.ly/m-begruenung
Nürnberg
Förderprogramm „Mehr Grün für Nürnberg“
http://bit.ly/nuernberg-gruen
Würzburg
Förderprogramm Urbanes Grün
http://bit.ly/wuerzburg-gruen
KfW Bank
Einige Kommunen geben Zuschüsse in Verbindung mit Darlehen der KfW-Bank zu Dachdämmung
mit Dachbegrünung. Fragen Sie in Ihrer Gemeinde nach. Liste der förderfähigen Maßnahmen der KfW Bank, u.a. Dachbegrünung
http://bit.ly/kfw-energie
Weitere Informationen
Bundesverband GebäudeGrün e.V. (BuGG)
Tel. 030/40 05 41 02
www.gebaeudegruen.info/bugg/mitglieder
Hier finden Sie Adressen von Systemherstellern und Fachfirmen für die Gebäudebegrünung. Die Systemhersteller bieten viele Informationen auch für Privatkunden an.
Begrünungsbüro Green City e.V., München
Tel. 089/89 06 68-300
wolfgang.heidenreich@greencity.de
www.greencity.de
Den „Praxisratgeber Gebäudebegrünung“ von Green City können Sie unter www.greencity.de/projekt/begruenungsbuero/ kostenlos aus dem Internet herunterladen.