In Deutschland sind noch Zimmer frei
Im Dachgeschoss liegen wertvolle Wohnraumreserven brach
Während gerade in den Ballungsräumen immer mehr Wohnraum dringend benötigt wird, bleibt ein riesiges Potenzial an „Baugrund“ ungenutzt. Und für den ist nicht einmal Grunderwerbsteuer fällig: das Dachgeschoss.
Ein Rechenexempel: Nach Expertenschätzungen gibt es bundesweit ca. 20 Mio. Wohngebäude. Wenn davon nur 1 % über einen für Wohnzwecke geeigneten, aber bislang ungenutzten Speicherraum verfügen, könnten damit 200.000 Wohnungen zusätzlich errichtet werden.
Die Wohnraumsituation in den Ballungsgebieten ähnelt der von vor 150 Jahren. Durch die Konzentration von Arbeitsplätzen in den Städten wurde Wohnraum knapp – und das Dachgeschoss als Wohnraum erschlossen. Allerdings haben Dachwohnungen von heute wesentlich mehr Attraktivität als die Kammer von Spitzwegs „Armem Poeten“. Dachwohnungen sind in jeder Hinsicht Top-Wohnlagen.
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Alle Beteiligten einbeziehen
Am Anfang aller Ausbaupläne sollten nicht nur die Prüfung der Statik und das Gespräch mit dem Architekten stehen. Wer bereits im Planungsstadium den Dach-Fachmann (also einen Dachdecker) hinzuzieht, erspart sich oft spätere Diskussionen um die Machbarkeit.
Fotos: HF.Redaktion/Bayerisches Dachdeckerhandwerk Denn leider stehen den Gestaltungswünschen nicht selten Fachregeln der ausführenden Gewerke entgegen. Den „Praktiker“ gleich im Planungsstadium einzubinden, hat außerdem den Vorteil, dass er schon mal die bestehende Dachunterkonstruktion unter die Lupe nehmen kann: Ist die Substanz z.B. der Sparren und/oder der Pfetten geeignet oder müssen Teile oder gar das gesamte Tragwerk erneuert werden?
Raumhöhe und Geschosszahl beachten
Hat der Statiker grundsätzlich „grünes Licht“ gegeben und auch die lokale Bauordnung signalisiert Zustimmung, heißt es, Maß zu nehmen. Denn nur wenn der auszubauende Dachraum über ausreichende Höhe verfügt, ist eine Nutzung zu Wohnzwecken später auch zulässig.
Besonders bei Dächern mit einer geringen Dachneigung kann es hier im wahrsten Sinne des Wortes eng werden. Eine Änderung der Dachneigung verbietet sich meist durch die strengen Vorgaben der Bauordnung der Kommune. Hier könnte eine Anhebung des Kniestocks (regional auch als Drempel bezeichnet) die Lösung sein, sofern eine solche „Anhebung“ des Daches genehmigt wird.
Mit der dann erreichbaren größeren Raumhöhe steigt natürlich auch das Wohnraumvolumen. Beispiel: Wird der Kniestock bei einem Dachraum mit einer Fläche von 100 m2 um 50 cm erhöht, vergrößert sich das Raumvolumen um 50 m3. Spätestens jetzt ist allerdings zu überprüfen, ob die bestehende Heizungsanlage dem Zuwachs an Wohnraum gewachsen ist.
Die nächste Prüfung gilt der Realisierbarkeit des Dachausbaus im Hinblick auf die Geschosszahl. Gerade bei Mehrfamilienhäusern möchten Eigentümergemeinschaften oft das Dachgeschoss als zusätzliche eigene Wohneinheit ausbauen und verkaufen.
Eine große Hürde dabei ist allerdings, dass vielerorts jede Aufstockung über vier Etagen zwingend die Errichtung einer Aufzugsanlage erfordert. Darüber hinaus kann es u. U. notwendig sein, gemäß den Bestimmungen des Brandschutzes zusätzlich einen zweiten Rettungsweg vorzusehen.
Zwischen, unter, auf – welche Wärmedämmung ist richtig?
In der nächsten Phase dürfen Planer und Dach-Experten nun an die Konkretisierung der Wohnträume ganz oben gehen. Hier stellt sich die grundsätzliche Frage: Welche Wärmedämmung darf es denn sein? Die Mindestanforderungen stellt die derzeit geltende Energieeinsparverordnung EnEV 2014 klar:
Die EnEV 2014 verweist hinsichtlich der Anforderungen und Berechnungen zum sommerlichen Wärmeschutz für Wohngebäude in Anlage 1 Nummer 3 auf DIN 4108-2. Im Vorwort heißt es dazu: „Durch Mindestanforderungen an den sommerlichen Wärmeschutz nach Abschnitt 8 soll die sommerliche thermische Behaglichkeit in Aufenthaltsräumen sichergestellt und eine hohe Erwärmung der Aufenthaltsräume vermieden und der Energieeinsatz für Kühlung vermindert werden.“
Der Bauherr muss sich für eine von drei grundsätzlich möglichen Ausführungen entscheiden:
Wärmedämmung zwischen den Sparren: die wohl „klassischste“ aller Dämmungen. Hier erfolgt die Einbringung der Dämmstoffe zwischen den Sparren der Dachunterkonstruktion. Um die von der EnEV geforderten Werte zu erreichen, ist jedoch die Dicke der Sparren oft nicht ausreichend. In diesem Fall müssen die Sparren entsprechend „aufgedoppelt“ werden. Nachteil dieser Zwischensparrendämmung: Die Sparren selbst bilden Wärmebrücken.
Wärmedämmung unter Sparren: Mit dieser Variante wird zwar eine homogene Dämmschicht erzeugt, da die gesamte Wärmedämmung „nahtlos“ unter den Sparren liegt. Bei den erforderlichen Dämmstärken von bis zu 20 cm ist jedoch zu beachten, dass damit auch ein nicht unerhebliches Maß an Wohnraumvolumen (und Raumhöhe) geopfert wird.
Wärmedämmung auf Sparren (Aufdachdämmung): Damit wird ebenfalls eine wärmebrückenfreie homogene Dämmschicht erreicht. Diese Art der Dämmung erlaubt zudem einen „Sicht-Dachstuhl“, bei dem das Tragwerk oder Teile davon als Gestaltungselement eingesetzt werden können. Übrigens ist eine damit verbundene Dacherhöhung um die Dicke der Dämmschicht selbst bei Reihenhäusern zulässig.
Entgegen der noch immer weit verbreiteten Meinung schreibt die EnEV keine „Mindestwerte“ für einzelne Bauteile vor, sondern fordert die Erfüllung von Mindeststandards für die gesamte Wohneinheit bzw. das Gebäude. Die geltende EnEV und deren Vorgaben sind auch dann einzuhalten, wenn mehr als 10 % der Fläche einer Dachseite erneuert werden.
Dies kann bereits bei mittleren Reparaturen oder dem Einbau von Dachfenstern der Fall sein. Dann müssen natürlich auch die Fachregeln des Dachdeckerhandwerks zur Windsogsicherung erfüllt werden.
Die Wärmedämmung verhindert nicht nur das Entweichen der beheizten Raumluft (durch eine optimale Wärmedämmung im Dachbereich können bis zu 20 % der Energiemenge eingespart werden). Die Dämmung gewährleistet auch, dass im Sommer die Wärme draußen bleibt und ein angenehmes Raumklima herrscht. Bei starker Sonneneinstrahlung kann sich die Dachoberfläche nämlich auf bis zu 70 °C erwärmen. Und die Dämmung sorgt dafür, dass diese Wärme nicht nach innen abstrahlt.
Dampfsperre und Belüftung
Die optimale Wärmedämmung ist Facharbeit und wenig für den Heimwerker geeignet. Nur die fachgerecht ausgeführte Dämmung mit entsprechender Dampfsperre und deren Anschlüsse an Dachöffnungen wie Fenster und Gauben stellt sicher, dass es nicht zu einer Tauwasserbildung (umgangssprachlich: Kondenswasser) kommt. Das Tückische daran: Diese Feuchtigkeitsbildung bleibt oft jahrelang unbemerkt.
Treten an Fensterrahmen Wasserflecken oder an den Dachschrägen schwarze Stockflecken auf, ist die Schimmelbildung meist schon weit fortgeschritten. Im schlimmsten Fall ist die Dämmung dann bereits derart mit Schimmelsporen belastet, dass nur noch eine Komplettsanierung hilft.
Je besser ein Raum gedämmt ist, desto luftdichter ist er. Deshalb muss nach der EnEV auch die ausreichende nutzerunabhängige Belüftung hergestellt werden. Konkretisiert wird die Anforderung an den Mindestluftwechsel in der DIN 1946-6. Sie fordert, dass ein nutzerunabhängiges Lüften bei jedem Neubau und jeder Modernisierungsmaßnahme, bei der mehr als 1/8 der vorhandenen Fenster ausgetauscht oder mehr als 1/8 der Dachfläche saniert werden, sichergestellt sein muss.
Hierzu bieten sich moderne Dachfenster an, die diese Forderungen an eine ausreichende Belüftung erfüllen.
Dachfenster und Gauben sorgen für Licht
Beim Thema Dachfenster gilt die Faustregel, dass – je nach Bauordnung – die „Belichtungsöffnungen“ etwa 1/8 der Wohnfläche betragen müssen. Den Variationsmöglichkeiten beim Dachfenstereinbau sind kaum Grenzen gesetzt. Hier reicht die Palette vom Dachfenster mit Standardmaßen über maßgefertigte Lösungen bis zu „Batterien“ von mehreren Dachfenstern über- und nebeneinander.
Dazu kommen Lösungen mit sehr großen, seitlich verschiebbaren Fenstern und in das Dach integrierten Balkonen. Ist die vorgesehene Fensterbreite größer als der meist nur geringe Sparrenabstand, kommen sogenannte Wechsel zum Einsatz. Dabei werden ein oder mehrere Sparren durchtrennt und die Lastableitung durch waagerechte Tragbalken (Wechsel) erreicht. Da dies ein Eingriff in die Statik des Tragwerks ist, bleibt diese Arbeit ausschließlich den hierfür qualifizierten Handwerkern vorbehalten.
Dachfenster sind inzwischen zu Hightech-Elementen im Wohnbau geworden. Je nach Hersteller und Option können die Verdunklung oder das Öffnen und Schließen zur Belüftung zeitgesteuert, über Regensensoren oder sogar über ein „Smarthome“-Konzept erfolgen. In der letztgenannten Variante kann die Steuerung der Einzelfunktionen sogar ortsunabhängig über das eigene Smartphone geschehen. Die Steuerungselemente werden dabei in das pervsönliche WLAN-Heimnetz eingebunden und nach hohen Sicherheitsstandards abgesichert.
Die Alternative zu Dachfenstern – oder eine Ergänzung dazu – sind Dachgauben. Diese erfordern jedoch meist einen Eingriff in die Dachunterkonstruktion. Neben Fertiggauben verschiedener Hersteller bieten sich maßgefertigte Gauben an. Ein großer Vorteil der Gauben gegenüber den Dachfenstern ist, dass sie das Raumvolumen vergrößern und der Raum so größer empfunden wird.
Nach erfolgtem Dachgeschossausbau und Innenausbau darf der Bauherr nicht vergessen, für das Gebäude einen neuen Energieausweis ausstellen zu lassen und die zusätzliche Wohneinheit bzw. den zusätzlichen Wohnraum bei der Gebäudeversicherung zu melden.
Fazit
Wer den Dachgeschossausbau plant, sollte von Anfang an Planer und ausführende Gewerke an einen Tisch bitten und auch in der Bauphase alle Beteiligten auf dem aktuellen Stand der Arbeiten halten. Das erspart Reibungsverluste und Kompromisse durch Umplanungen – und schließlich können Ideen und Anregungen von erfahrenen Praktikern eine Bereicherung für die Gestaltung sein.
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