Scharf, schärfer ... Chilis

Chilis schmecken ganz ähnlich wie milde Gemüsepaprika. Den Schärfestoff Capsaicin schme­cken wir nämlich nicht. Er reizt viel­mehr die Schmerz­re­zep­to­ren, die auch für Hitze zuständig sind. Die englische Bezeichnung „hot“ für scharf trifft den Sachverhalt ge­nau.

ChilisFoto: Scheu-Helgert Im Topf gedeihen Chilis willig. Mit etwas Glück bekommt man die ab­geernteten Pflanzen auf der Fens­ter­bank von Flur oder Schlafzimmer (kühl und hell) über den Winter.
Süßer Gemüsepaprika (Capsicum annuum) enthält nur Spuren von Capsaicin, die schärfsten Chili-Sorten (versch. Capsicum-Arten) lassen sich im Gaumen kaum noch unterscheiden. Daher gibt es verschiedene Mess-Skalen für die Schärfegrade. Am gebräuchlichsten ist die Skala von 0 (Gemüsepaprika) bis 10 aus Mexiko. Nur wenige Sorten vom Habanero-Typ (C. chinense) laufen unter 10++.

Etwas objektiver ist die Scoville-Skala. Der Pharmakologe Wilbur Scoville hat schon im Jahr 1912 Chili-Mus so lange mit Zuckerwasser verdünnt, bis der Gaumen keine Schärfe mehr wahrnahm. Gemüsepaprika liegt bei ihm zwischen 0 und 10, die Habaneros bei 100.000 bis 350.000 Scoville Grad.
Weitere Beispiele: Peperoni 100 bis 500, Tabascosauce bis 5000, Cayenne­pfef­fer bis 50.000, Pfefferspray 2 Mio. und reine Capsaicin-Kristalle 15 Mio. Scoville Grad (sie gelten als Gift und unterliegen der Gefahrstoff-Verordnung).

Pfefferscharfes Essen war im Mittelalter nicht nur eine Prestige-Frage. Es war oft auch bitter nötig, um in kühlschrankloser Zeit kostbare, aber überlagerte und vielleicht bereits leicht „anrüchige“ Lebensmittel noch genießen zu können. Ganz veraltet ist diese Methode bis heute nicht. „Gammelfleisch“ wurde erst in jüngster Vergangenheit am liebsten in gut gewürzten Fertig-Produkten versteckt.
Andererseits nutzt man in heißen Ländern die keimtötende Wirkung scharfer Gewürze wie Chili bereits vorbeugend, um Speisen tatsächlich länger haltbar zu machen.

Es gibt verschiedene Capsaicine, deshalb sind die verschiedenen Chi­li-Sorten auch unterschiedlich scharf. Am schärfsten sind immer die Scheidewände im Inneren der Frucht, weshalb man Chili­schoten vor der Verwendung halbiert und durch Ausschaben entkernt.

Capsaicin bewirkt ein Hitzeempfinden, darauf reagieren die betreffenden Hautpartien mit stärkerer Durchblutung. Insgesamt hat regelmäßig scharfes Essen eine gefäßerweiternde und zugleich blutdrucksenkende Wirkung. Zusätzlich tritt ein gewisser Gewöhnungseffekt auf, scharfes Essen wird immer mehr zum Genuss.

Dennoch gilt beim Umgang mit scharfen Chilischoten Vorsicht. Während der Arbeit damit soll man sich keinesfalls die Augen reiben, es empfiehlt sich, Einweghandschuhe zu tragen. Wer zu scharf gegessen hat, soll nie mit Wasser nachspülen. Das fettlösliche Capsaicin verdünnt man besser mit öl- oder fetthaltigen Speisen wie Milch oder Käse, notfalls auch mit hoch­pro­zen­ti­gen Getränken oder Zuckerwasser.

Chilis wachsen etwas zuverlässiger als die großen Gemüsepaprika in unseren Gärten oder in Eimern (mit Wasserabzug) auf dem Balkon. Besonders die kleinfrüchtigen Sorten setzen in guter Balkonpflanzenerde bei be­darfs­ge­rech­ter Wasser- und Nährstoffversorgung willig immer neue Früchte in großer Zahl an.

Vor dem ersten Frost erntet man alles ab und legt die aufgeschnittenen Schoten – kleine Sorten bleiben ganz – bei etwa 40 °C in Heizungsnähe zum Trocknen aus. Die Schärfe bleibt beim Trocknen ebenso wie beim Kochen vollständig erhalten. Manchmal gelingt die Überwinterung von Peperoni-Pflanzen am hellen, kühlen Fenster.

Von einer unschönen Verwendung des Capsaicins erfuhren wir während der Olympischen Spiele 2008. Einige Springreiter hatten es an den Vorderbeinen ihrer Pferde angebracht, um sie dort schmerzempfindlicher zu machen. Sie vermeiden dann eher eine Berührung mit den hoch aufgelegten Stangen.

Marianne Scheu-Helgert,
Bayerische Gartenakademie

 

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