Im Grunde unersetzlich – Streit um Grundwasser

Warum der Streit um Grundwasser gerade erst beginnt

Beet Bewässerung GewächshausFoto: ehrenber-bilder/ Adobe StockLange galt Grundwasser in Deutschland als unbegrenzt verfügbar – als Ressource, um die man sich keine Gedanken machen musste. Die Zeiten haben sich geändert: Grundwasser droht in einigen Regionen zur Mangelware zu werden. Konflikte um die Nutzung sind absehbar. Zeit, sich Gedanken über das kostbare Nass unter unseren Füßen zu machen.
Grundwasser ist grundsätzlich einmal das Wasser, dass die zusammenhängenden Hohl­räume (Grundwasserleiter) des obersten Be­reichs der Erde über wasserundurchlässigen Schichten füllt. Dabei fließt es durch die Schwerkraft in Flüsse und Bäche oder tritt als Quelle zutage und ist somit Teil des Wasserkreislaufes.
Die Fließgeschwindigkeit ist abhängig vom Gefälle sowie der Beschaffenheit der Hohlräume. In Grobkies kann Grundwasser fast ungehindert fließen, Ton mit seinen winzigen Poren begrenzt die Geschwindigkeit auf wenige Zentimeter im Jahr. In sandigen Böden beträgt die Fließgeschwindigkeit, je nach Gefälle, rund 10 m am Tag.

Schotter im Süden

In geringeren Teilen wird Grundwasser aus Wasser von Fließgewässern und Seen gespeist, das bei erhöhten Wasserständen in tiefere Schichten sickert. Vor allem aber wird es aus Sickerwasser gebildet, das aus Niederschlägen stammt. Nach Angaben des Bayerischen Umweltministeriums fallen in Bayern im Schnitt jährlich 940 mm (940 l) Niederschlag pro Quadratmeter. 55 % davon verdunsten, 45 % fließen in Flüsse ab und speisen das Grundwasser. Dabei gibt es große regionale Unterschiede: In Nordbayern fallen stellenweise nur 600 mm, in Südbayern an der Donau 900 mm und im alpinen Bereich über 2000 mm.

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Auch bei den Böden ist Südbayern im Vorteil. Dort gibt es großflächige Schotterfelder im Untergrund, die viel Grundwasser speichern können. In Nordbayern überwiegen dagegen Festgesteine, die nur wenige Hohlräume besitzen. „Bayern ist insgesamt reich an Grundwasser, aber dieser Reichtum ist nicht gleich­mäßig verteilt“, fasst es so das Umweltministerium zusam­men.

Trinken und gießen

Für die Gewinnung von Trinkwasser in Nordbayern sind daher überregionale Zuleitungen notwendig. Immerhin werden im Freistaat über 90 % des Trinkwassers aus Grundwasser gewonnen. 8400 Brunnen und Quellen liefern jährlich mehr als 860 Millionen Kubikmeter Grund- und Quellwasser für die Wasserversorgung Bayerns.
Über die Entnahmemengen von Grundwasser für die Bewässerung gibt es keine vollständigen Zahlen. Nach Angaben des Landesamtes für Umwelt (LfU) sind Grundwasserentnahmen für Bewässerungszwecke erlaubnisfrei, „sofern sie in geringen Mengen erfolgen und unter der Voraussetzung, dass sich keine negativen Auswirkungen auf die Grundwasserbeschaffenheit oder zukünftige Nutzungen ergeben.“ Das umfasst etwa die Förderung von Grundwasser in geringen Mengen für die Land- und Forstwirtschaft sowie den Gartenbau, wenn die Bohrung unter Berücksichtigung bestimmter Vorgaben, etwa des Verzichts auf eine Zementabdichtung, erfolgt.
In Wasserschutzgebieten und Heilquellenschutzgebieten sind Bohrungen grundsätzlich verboten. Eine Befreiung davon kann aber beantragt werden.

Sinkende Grundwasserstände

In den vergangenen Jahren haben Rekordtemperaturen und lange Dürreperioden dazu geführt, dass die Grundwasserstände in einigen Regionen deutlich gesunken sind. Jay Famiglietti, der Direktor des Global Institute for Water Security an der Universität Saskatoon in Kanada, wertete im Auftrag der NASA und des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt Satellitendaten aus. Im Interview mit der Tageschau gab er an, dass Deutschland in 20 Jahren Wasser im Umfang des Bodensees verloren habe. „Damit gehört es zu den Regionen mit den höchsten Wasserverlusten weltweit ... Wenn man es sich genau anschaut, sieht man, dass es in der Region um Lüneburg ein besonders hohes Maß an Wasserrückgang gibt, ebenso im Südwesten, in Baden-Württemberg, und im Südosten, in Bayern“, so Famiglietti.

Der Dürremonitor

Falls Sie wissen möchten, wie trocken die Böden in Ihrer Region sind, werfen Sie einen Blick auf den Dürremonitor des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung. Dort wird die aktuelle Bodenfeuchte für Tiefen von 25 und 180 cm errechnet. Abgebildet wird sie im Vergleich zu den Jahren 1951 bis 2015: www.ufz.de/duerremonitor

 


Nach Angaben des Landesamtes für Umwelt hat die Neubildung von Grundwasser in Bayern in der Zeit von 2003 bis 2018 um rund 15 % gegenüber dem langjährigen Mittel der Jahre 1971 bis 2000 abgenommen. „In der Folge sind die Grundwasserstände bayernweit seit mehreren Jahren auf anhaltend niedrigem bis sehr niedrigem Niveau.“ In Regionen wie Unterfranken, in denen es schon immer vergleichsweise geringe Neubildungsraten gab, hat das zu einer Verschärfung bei der Verfügbarkeit von Grundwasser geführt. Wasserkreislauf GrafikGrafiken: Vasily Merkushev/ Adobe Stock;Kimo/ Adobe Stock
Dr. Tim aus der Beek, Leiter des Bereichs Wasserressourcen-Management am Rheinisch-Westfälischen Institut für Wasserforschung, beschäftigt sich seit Jahren mit dem Thema. Er sieht die aktuelle Entwicklung mit Sorge: „Wir haben in den letzten zehn Jahren auch in Deutschland gesehen, dass die Ressource Wasser nicht unendlich ist. Der Klimawandel macht sich vor allem im Wassersektor sehr deutlich bemerkbar. Normalerweise wird das Grundwasser von Oktober/November bis ungefähr April neu gebildet, in den trockenen Jahren 2018 und 2019 konnten wir aber beobachten, dass die Neubildung erst im Dezember einsetzte und schon im März wieder aufhörte. Wir haben da ein Defizit aufgebaut, was normalerweise in feuchteren Jahren wieder ausgeglichen wird. Bislang fehlte es aber danach an ausreichend großen Wassermengen, die vor allem die großen Porengrundwasserspeicher, die das Wasser lange halten können, wieder füllen konnten.“

Streit ums Wasser

Dass dieses Defizit in naher Zukunft ausgeglichen wird, danach sieht es momentan nicht aus. „Wir haben die Sorge, dass es regional zu lang anhaltenden Absenkungen des Grundwasserspiegels kommen könnte. Über fast alle Klimamodelle hinweg sehen wir, dass die Niederschläge im Winter zwar zunehmen, aber im Sommer deutlich geringer ausfallen. Die Grundwasserneubildung im Winter wird erhöht, aber die Entnahme im Sommer teilweise um ein Vielfaches der Neubildung gesteigert“, erläutert aus der Beek.

Niedrigwasser-Informationsdienst

Um auf sinkende Pegelstände reagieren zu können, veröffentlicht der Niedrigwasser-Informationsdienst Bayern bei Niedrigwasser aktuelle Lageberichte. Grundlage dafür sind die Daten von 550 Pegelständen und 320 Niederschlags-Messstationen: www.nid.bayern.de

Das wird zu Konflikten führen, die sich in unterschiedlichen Regionen unterschiedlich auswirken. Nicht nur für die Natur, die Landwirtschaft oder den Gartenbau sind die sinkenden Grundwasserstände ein Problem. Da mit dem Grundwasser- auch die Flusspegel sinken können, wird etwa die Schifffahrt beeinträchtigt, können Wasserkraftwerke nur vermindert Strom erzeugen oder müssen Kraftwerke ihre Leistung drosseln, um Flüsse durch das Wiedereinleiten des Kühlwassers nicht zu sehr aufzuwärmen. Ebenso drohen Engpässe bei der Trinkwasserversorgung, die zu lokalen Beschränkungen führen können, etwa zum Verbot, den Rasen zu sprengen oder den Pool zu füllen. In Brandenburg hat ein Wasserverband damit begonnen, das Wasser für Neukunden zu rationieren. Demnach dürfen diese nur noch 105 l Wasser pro Person und Tag verbrauchen – der bundesweite Durchschnitt liegt bei 127 l!

Sauberes Wasser?

Neben der Frage der Grundwasserstände rückt auch die Belastung mit Schadstoffen in den Vordergrund. Galt das Grundwasser in der Vergangenheit als relativ gut geschützt, haben in jüngster Zeit Messungen hohe Belastungen gezeigt, vor allem durch biologisch schlecht abbaubare Stoffe, wie Dünge- und Pflanzenschutzmittel, Arzneistoffe oder Stoffe aus Siedlungsabwässern und der Industrie sowie natürlich vorkommende Schwermetalle – in manchen Bereichen Bayerns etwa Uran. Problematisch ist dies vor allem, da es kaum möglich ist, Grundwasserleiter zu sanieren und die Schadstoffe mitunter Jahrzehnte im Boden verbleiben, bis sie wieder zutage treten.
Rückstände von Pflanzenschutzmitteln lassen sich nach Angaben des Umweltbundesamtes bundesweit an jeder zweiten Messstelle nachweisen. Ein Drittel der Grundwasserkörper in 
Deutschland ist wegen zu hoher Nitratbelastungen in einem schlechten Zustand.
Grafik Grundwasserneubildung Klicken für vergrößerte Darstellung
[Herausgeber: Bayerisches Landesamt für Umwelt (LfU)]
Nachdem die Bundesregierung vom Europäischen Gerichtshof dazu verurteilt wurde, Grenzwerte bei der Nitratbelastung einzuhalten, wurde 2020 eine neue Düngeverordnung verabschiedet, nach der in bestimmten Gebieten („rote Gebiete“) weniger Dünger ausgebracht werden muss – die Nitratbelastungen konnten dadurch bislang nur wenig gesenkt werden. Eigenheimer, die wissen möchten, ob ihr Brunnenwasser belastet ist, können ihr Wasser auf jeden Fall relativ günstig bei unterschiedlichen Instituten untersuchen lassen.

Nationale Wasserstrategie

Anfang Juni 2021 hat die damalige Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) daher den Entwurf für die „Nationale Wasserstrategie“ vorgelegt. Mit ihr sollen Maßnahmen gegen eine Wasserknappheit entwickelt, Nutzungskonflikte vermieden sowie der Zustand der Gewässer und die Wasserqualität verbessert werden. Zuvor hatte das Ministerium dafür einen „Nationalen Wasserdialog“ mit Experten und Interessenvertretern geführt.
Bund und Länder sollen jetzt Empfehlungen und Kriterien erarbeiten, wer im Fall von regionaler Wasserknappheit vorrangig Wasser nutzen darf. Erste Bundesländer haben schon Priorisierungen in Gesetze gefasst. In NRW hat jetzt etwa die Trinkwasserversorgung eine Vorrangstellung bekommen.

Wasserzukunft 2050

Auch in Bayern macht sich die Staatsregierung Gedanken. Umweltminister Thorsten Glauber (Freie Wähler) kündigte im Oktober 2020 ein Programm zur „Wasserzukunft Bayern 2050“ an. Demnach sei der „Einstieg in eine sichere Wasserzukunft“ neben dem Arten- und dem Klimaschutz das dritte „Existenzthema“ für Bayern. „Weil alles auf dem Spiel steht, was uns ausmacht – unsere Gesundheit, unsere Versorgung, unser Wohlstand. Vieles in unserem Leben wird nichtig sein, wenn wir dieses eine Thema nicht auf die Reihe bekommen: Wasser ... Wir sind auf dem besten Weg in einen Grundwassernotstand“, so Glauber in der schriftlichen Fassung seiner Regierungserklärung.
Im Kontrast zu diesen starken Worten steht die Tatsache, dass das bis Ende 2021 angekündigte Programm noch immer nicht veröffentlicht wurde. Auf Anfrage des „Eigenheimer Magazins“, wann damit zu rechnen sei, macht das Ministerium keine konkreten Angaben und gibt nur ein Pressestatement ab: „Für eine gesicherte Wasserversorgung in ganz Bayern arbeitet das Umweltministerium an der Strategie ‚Wasserzukunft Bayern 2050‘. ... Die Maßnahmen reichen von Zukunftskonzepten zur Sicherstellung der Wasserversorgung vor Ort, ergänzt durch überregionale Fernwassersysteme, über Gewässerökologie und Hochwasserschutz bis hin zu intelligenten Bewässerungsprojekten in der Landwirtschaft“, so ein Sprecher des Ministeriums.

Lösung für die Zukunft?

Die Politik hat also erkannt, dass es an der Zeit ist, sich um das Thema „Grundwasser“ zu kümmern. Sowohl auf Bundes- als auch auf Landesebene gibt es aber bislang kaum greifbare Ergeb­nisse. Kein Wunder, sind die Konflikte um Nutzungsrechte doch vielschichtig und nur schwer miteinander zu vereinbaren! Soll etwa die Bewässerung von Gärten verboten werden? Kann die Landwirtschaft verpflichtet werden, Pflanzen anzubauen, die weniger Wasser benötigen, und wird die Frage über Industrieansiedlungen zunehmend mit Blick auf das verfügbare „Grundwasserdargebot“ vor Ort entschieden? Und: Müssen Eigenheimer fürchten, dass ihr Trinkwasser künftig rationiert wird?
Für Tim aus der Beek wäre die Lösung, die einzelnen Grundwasserleiter vor Ort zu betrachten: „Bisher wird nicht zusammengeführt, wer Grundwasser aus ihnen entnimmt, wie die Neubildung aussieht oder welche Stoffe eingetragen werden. Man kann schon jetzt die Entwicklung eines Grundwasserleiters gut für drei Monate vorhersagen, auf dieser Basis müsste man entscheiden, wer wann und wo welches Wasser bekommt, und sich Gedanken über Alternativen machen, etwa die Entnahme von Flusswasser.“
Die politische Debatte dazu hat gerade erst begonnen. Was aber jetzt schon sicher ist: Der sorgsame und bewusste Umgang mit der Ressource „Wasser“ ist das Beste, was jetzt auch jeder Eigenheimer tun kann.


Sören Keller
Verlag W. Wächter


Weitere Informationen

Broschüre „Grundwasser in Deutschland“ 
https://bit.ly/grundwasser-uba

Infos des Landesamtes für Umwelt:
https://bit.ly/grundwasser-lfu

Regierungserklärung „Wasserzukunft 2050“
https://bit.ly/wasserzukunft2050

Infos zu mit Nitrat belasteten Gebieten:
https://bit.ly/nitrat-bayern

 

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