Zwerge mit Zukunft – Obstgehölze im Kleinformat
Für kleinere Gärten und für die Anzucht in Kübeln auf Terrassen oder Balkonen eignen sich herkömmliche Obstsorten wegen ihres starken Wachstums nur begrenzt. Steigender Beliebtheit erfreuen sich daher in den letzten Jahren die Zwergobstgehölze.
Was ist ein Zwerg?
Vor 100 Jahren waren hoch- oder halbstämmige Apfel- und Birnbäume, die etwa 6–8 m hoch und zum Teil auch so breit wurden, Standard. Es gab aber zu dieser Zeit schon Veredelungsunterlagen wie „M9“ für Apfelbäume oder Quitte für Birnbäume, die für schwächeres Wachstum (etwa 2–4 m Höhe) sorgten. Solche Pflanzen wurden – wie man in alten Fachbüchern nachlesen kann – damals als „Zwergobstbäume“ bezeichnet.
Zwergig – oder nur kompakt?
Inzwischen sind diese wachstumsbremsenden Veredelungsunterlagen im Erwerbsobstbau längst Standard und auch in Haus- und Kleingärten weit verbreitet, sodass Bäume auf diesen Unterlagen kaum noch als „Zwergobst“ bezeichnet werden. Seit den 1970er Jahren werden aber mehr und mehr Obstbäume angeboten, die noch deutlich kleiner bleiben und oft nur 1–2 m hoch werden.
Diese Sorten wachsen ähnlich wie manche Zwerg-Ziergehölze genetisch bedingt deutlich schwächer. Meist haben sie sehr enge Knospenabstände (Internodien). Diese aus Mutationen entstandenen genetischen Veränderungen sind völlig natürlich und haben nichts mit Gentechnik zu tun.
Als Zwergsorten sollten inzwischen lediglich diejenigen bezeichnet werden, die nur etwa ein Drittel so stark wie die auf dem Markt üblichen Sorten wachsen. Solche Sorten gibt es z.B. bei Äpfeln, Birnen, Pfirsichen, Nektarinen, Sauerkirschen und Aprikosen.
Foto: Artevos
Bei Pflaumen/Zwetschgen und Süßkirschen sind leider keine genetisch bedingten Zwerge bekannt, daher werden andere Sorten als „Zwerge“ verkauft, die genetisch bedingt etwa zwei Drittel so stark oder manchmal sogar genauso stark wachsen wie die herkömmlichen Sorten. Oft (aber leider nicht immer) sind sie auf Unterlagen veredelt, die ihr Wachstum etwas bremsen. Wenn man ehrlich ist, sollte man diese Sorten eher als kompakt wachsend bezeichnen.
Echte Zwerge
Bei Apfelbäumen ist ein breites Spektrum völlig unterschiedlich wachsender „Zwergsorten“ mit verschiedenem genetischem Hintergrund auf dem Markt. Manche wie ‘Gullivers’ oder ‘Cactus’ bleiben wirklich sehr klein, andere wie ‘Mini Cox’ oder ‘Croquella’ wachsen eher kompakt.
Foto: Lubera
Im Birnen-Sortiment gibt es eine ganze Reihe von Zwergsorten, die auf die alte französische Sorte ‘Nain vert’ zurückgehen. Sie haben, wie z.B. ‘Garden Pearl’ oder ‘Little Sweety’, sehr dicke Triebe mit engen Knospenabständen und sind schon vom bizarren Wuchs her sehr interessant.
Foto: mauritius images/Garden World Images/Floramedia
Vor etwa 80 Jahren wurden Samen eines sehr zwergig wachsenden Zierpfirsichs aus China in die USA gebracht und zur Züchtung genutzt. Dort entstand in den nächsten Jahrzehnten ein breites Sortiment an zwergigen Pfirsich- und Nektarinensorten, die dünne Triebe mit sehr engen Knospenabständen besitzen. Bei den Pfirsichen sind z.B. ‘Amber’, ‘Calypso’ und ‘Crimson Bonfire’ beliebte Sorten, unter den Nektarinen ‘Rubis’ und ‘Nectarella’.
Häufig wird eine Sauerkirsche mit sehr engen Internodien angeboten, die kompakt wächst und eine eiförmige Krone bildet. Sie ist unter verschiedenen Sortennamen – als ‘Cinderella’, ‘Little Maillot’ oder ‘Morellino’ – im Handel, wobei diese Sorten wohl identisch sind. Ihre genetische Herkunft ist unklar.
Nach bisherigen Erfahrungen ist diese Sauerkirsche sehr widerstandsfähig, bildet aber nur relativ kleine Früchte. Außerdem werden die Sorten ‘Kobold’ und ‘Griotella’ angeboten, die beide den hängenden Wuchs der Schattenmorelle besitzen und leider auch deren Krankheitsanfälligkeit.
Eher kompakt wachsend
Bei Süßkirschen sind keine genetischen Zwergsorten bekannt, auch die oft als Zwerge angebotenen Sorten ‘Garden Bing’ und ‘Stella Compact’ wachsen eher kompakt als zwergig.
Ebenso gibt es bei Pflaumen, Zwetschgen und Mirabellen wie erwähnt noch keine echten Zwergsorten. Die oft angebotene Reneklode ‘Goldust’ wächst eher kompakt und die übrigen Sorten wie die Zwetschge ‘Jojo’ sogar normal stark. Für 2021 ist aber eine Zwetschgensorte namens ‘Blue Dust’ angekündigt, die wirklich zwergig wächst.
Kleinformatiges Beerenobst
In der Gruppe der Heidelbeeren werden in den letzten Jahren einige sehr dekorative, kompakt bis zwergig wachsende Sorten angeboten, wie ‘Berry Bux’ und ‘Peach Sorbet’ aus der Reihe „Brazelberries“ oder die „Lowberry“ ‘Little Blue Wonder’. Grundsätzlich ist wichtig zu beachten, dass Heidelbeeren sehr sauren Boden beziehungsweise saure Blumenerden brauchen.
Foto: BrazelBerry
Auch bei Him- und Brombeeren finden sich inzwischen einige Zwergsorten in den Baumschulen und Gartencentern, die wegen ihrer kürzeren Ruten wesentlich besser für Kübel geeignet sind als Standardsorten. Beliebte Sorten sind z.B. die Himbeere ‘Lucky Berry’ und die Brombeere ‘Baby Cakes’.
Foto: Lucky Berry
So gedeihen Ihre Zwerge
Sie können Ihre Zwergobstsorten in den Garten auspflanzen und so für eine Vielfalt an Naschobst sorgen: kleine Erntemengen pro Pflanze, jedoch in großer Vielfalt auf kleinem Raum – und über viele Wochen und Monate. Viele der Sorten sind wegen ihres schwachen Wachstums allerdings nicht sehr durchsetzungsfähig – Sie müssen sie vor Konkurrenz durch stark wachsende Ziergehölze, Stauden oder Unkraut bewahren. Zwergpfirsiche und -nektarinen sollten Sie wegen ihrer Krankheitsanfälligkeit nur in sehr trockenen Regionen auspflanzen.
Die Pflege von Zwergobstgehölzen ist ansonsten identisch mit der bei herkömmlichen, „normal“ wachsenden Sorten: Je nach Bodenverhältnissen kann eine regelmäßige Düngung nötig sein. So sollten Sie nährstoffarme Böden mit Kompost verbessern und/oder im Frühjahr und Frühsommer mit einem organischen Volldünger versorgen.
Wenn der Fruchtansatz sehr reich ist, ist es ratsam, im Juni die jungen, kleinen Früchte bis auf eine pro Blütenstand zu entfernen. Dadurch verbessern Sie die spätere Fruchtqualität.
Topf- und Kübelzwerge
Zwergobstbäume eignen sich besonders gut zur Anzucht in Töpfen und Kübeln. Wenn sie im Winter und Frühjahr geschützt vor Niederschlägen unter einem Dachüberstand stehen, bleiben sogar Pfirsiche und Nektarinen gesund. Allerdings müssen Sie Gehölze im Kübel natürlich regelmäßig bewässern, und auch die Düngung ist durch den begrenzten Wurzelraum besonders wichtig.
Im Winter sollten Sie bei Temperaturen unter –5 °C die kälteempfindlichen Wurzeln schützen, indem Sie die Pflanzen zusammenrücken und die Töpfe mit Vlies oder ähnlichem Isoliermaterial umwickeln.
Heinrich Beltz
Landwirtschaftskammer Niedersachsen,
Niedersächsische Gartenakademie
Sorte | Frucht | Genussreife | Wuchs |
Äpfel | |||
‘Cactus’ | groß, grün/gelb | September bis Dezember | dicktriebig, Wuchs kaktusartig |
‘Croquella’ | mittelgroß, orange/gelb | September/Oktober | dicktriebig, relativ stark |
‘Gullivers’ | klein bis mittelgroß, rot/gelb | September/Oktober | sehr zwergig |
‘Lilly’ | mittelgroß, streifig gelb/rosarot | September bis Januar | |
‘Sally’ | klein bis mittelgroß, rot | September | |
Birnen | |||
‘Garden Gem’ | groß, rotbraun | September/Oktober | dicktriebig |
‘Garden Pearl’ | groß, grün | September/Oktober | dicktriebig |
‘Little Sweety’ | mittelgroß, grün, kaum berostet | September/Oktober | dicktriebig |
Pfirsiche | |||
‘Amber’ | groß, gelbfleischig | Juli | |
‘Bonanza’ | mittelgroß, gelbfleischig | August | |
‘Calypso’ | mittelgroß, gelbfleischig | September | |
Nektarinen | |||
‘Didone’ | mittelgroß, weißfleischig | September | |
‘Nectarella’ | gelbfleischig | August | |
‘Rubis’ | mittelgroß, gelbfleischig | Juli/August | |
Aprikosen | |||
‘Aprigold’ | klein bis mittelgroß | Juli/August | |
‘Compacta’ (‘Apricompact’) | mittelgroß | Juli/August | relativ starker Wuchs |
Reneklode | |||
‘Goldust’ | gelb, mittelgroß | August/September | relativ starker Wuchs |
Süßkirschen | |||
‘Garden Bing’ | groß, dunkelrot, herzförmig | Juni/Juli | |
‘Stella Compact’ | groß, dunkelrot, herzförmig | Juli/August | |
Sauerkirschen | |||
‘Cinderella’ | klein, dunkelrot | Juli | relativ starker Wuchs, eiförmige Krone |
‘Kobold’ | groß, dunkelrot | Juli | hängender Wuchs, krankheitsanfällig |
Brombeeren | |||
‘Baby Cakes’ | mittelgroß, schwarz | Juli/August, September | trägt an ein- und zweijährigen Ruten |
‘Black Cascade’ | mittelgroß, schwarz | Juli bis September | leicht bedornt, hängender Wuchs |
‘Purple Opal’ | mittelgroß, schwarz | August/September | leicht bedornt |
Himbeeren | |||
‘Lucky Berry’ | mittelgroß, rot | Juli bis Oktober | trägt an ein- und zweijährigen Ruten |
‘Raspberry Shortcake’ | mittelgroß, rot | Juli | trägt nur an vorjährigen Ruten |
Heidelbeeren | |||
‘Berry Bux’ | klein, dunkelblau | Juli/August | |
‘Hortblue Petite’ | mittelgroß, blau | Juli/August bis September | |
‘Jelly Bean’ | mittelgroß, blau | Juli/August | |
‘Little Blue Wonder’ | klein, dunkelblau | Juli/August | |
‘Peach Sorbet’ | mittelgroß, blau | Juli/August | |
‘Top Hat’ | groß, blau | August | |
Azoren-Heidelbeeren | |||
‘Blautropf’ | klein, länglich | Juli bis Oktober | immergrün |