Von Natur aus schlank: Säulenäpfel
Eine neue Sortengruppe von Apfelbäumen hat in den letzten Jahren viele Gärten erobert: die Säulenäpfel. Sie wachsen schlank, lassen sich einfach schneiden, und die neueren Sorten sind auch recht widerstandsfähig und tragen leckere Früchte.
Die Säulenapfel-Sorten stammen alle von ein und derselben Pflanze ab. 1963 entdeckte der polnischstämmige Obstanbauer Anthony C. Wijcik auf seiner Plantage in Kanada einen eigenartigen Zweig an einem Baum der Sorte ‘McIntosh’: Dieser war verdickt, hatte sehr enge Knospenabstände (Internodien), wenig Seitenzweige und bildete reichlich Blütenknospen.
Wijcik gab seine Entdeckung an einige Forschungsanstalten weiter – zur Züchtung neuer Sorten. Doch es erreichte keine Neuzüchtung die gewünschte Fruchtqualität und Lagerfähigkeit für den Erwerbsobstbau.
Da die Züchtungen jedoch für Privatkunden attraktiv und einfach zu schneiden waren, wurden bald in England die ersten Sorten verkauft. Seit 1989 werden sie unter dem Markennamen „Ballerina“ auch in Deutschland angeboten. Später kamen weitere Neuzüchtungen hinzu, sodass mittlerweile etwa 60 Säulenapfel-Sorten in Deutschland auf dem Markt sind. Während die ersten Sorten zum Teil recht empfindlich waren, sind die meisten neueren Sorten relativ vital und widerstandsfähig.
Echte Säulen – falsche Säulen
Beim Pflanzenkauf ist allerdings Vorsicht geboten: Da der Begriff „Säulenapfel“ nicht genau definiert ist, werden auch Spur-Typen und herkömmliche Sorten als Säulenäpfel angeboten. Spur-Typen sind Formen, die in der Regel aus herkömmlichen Sorten entstanden sind, kompakt wachsen und reichlich kurzes Fruchtholz ansetzen. Sie besitzen jedoch keinen genetisch bedingten Säulenwuchs und können nur mit viel Schnittaufwand zu Säulen gezogen werden.
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Die „echten“ Säulenäpfel, die von ‘McIntosh Typ Wijcik’ abstammen, besitzen hingegen aufgrund einer natürlichen Mutation die beschriebenen dicken, aufrecht wachsenden Triebe, kurzen Knospenabstände und den guten Knospenansatz.
Für Hobbyggärtner bieten sie viele Vorteile: Sie wachsen schmal, der Mitteltrieb braucht so lange nicht eingekürzt zu werden, bis nach etwa vier bis sieben Jahren die gewünschte Höhe erreicht ist, und wenn Sie rechtzeitig die wenigen Seitentriebe kürzen, wächst die Pflanze als eintriebige Säule.
Fotos: Beltz
Einfache Schnittregeln
Beim Säulenapfel müssen Sie also wenig schneiden: Der Mitteltrieb darf so lange wachsen, bis die Pflanze zu hoch wird. Je nach Sorte und Veredelungsunterlage kann ein Säulenapfelbaum eine Höhe vom 6 m und mehr erreichen. Sie können ihn aber auch problemlos auf einer Höhe von 2–3 m halten, wenn Sie den Mitteltrieb in dieser Höhe abschneiden.
Alle Seitentriebe kürzen Sie auf eine Länge von 10–20 cm. Das können Sie im Sommer erledigen, wie jetzt im August, oder im kommenden Frühjahr vor dem Austrieb. Der Schnitt im Spätsommer ist besonders vorteilhaft, wenn Triebe sehr stark wachsen, da der Wuchs so gebremst wird.
Anbinden oder nicht?
Säulenäpfel werden von den verschiedenen Baumschulen, die sie vermehren, auf unterschiedlich stark wachsende Unterlagen veredelt. So verwendet die Baumschule Lubera für ihre nur 1,5–2 m hoch werdenden Säulenapfelbäume der Reihen „Malini“ die relativ schwach wachsende M 26.
Die meisten anderen Baumschulen nehmen mittelstark wachsende Unterlagen wie MM 106, MM 111, M 4 oder M 7. Bei schwach wachsenden Unterlagen kann ein Pfahl als Unterstützung nötig sein, auf mittelstarker Unterlage können die Säulenäpfel auch ohne Pfahl oder Spalier auskommen.
Für guten Fruchtansatz sorgen
Apfelblüten nehmen ihren eigenen Pollen schlecht oder gar nicht an und sind daher auf Befruchtersorten angewiesen. Diese sollten zur selben Zeit blühen, brauchen aber keine Säulensorten zu sein – normal wachsende Sorten und auch Zieräpfel eignen sich genauso gut.
In manchen Jahren neigen Säulenapfelbäume zu sehr starkem Fruchtansatz, in anderen bilden sie keine oder nur wenige Früchte (Alternanz). Wenn der Fruchtansatz sehr reich ist, sollten Sie im Juni die jungen, kleinen Äpfel bis auf einen pro Blütenstand entfernen, sodass höchstens sieben Äpfel pro Meter Trieblänge übrig bleiben. Dadurch verbessern Sie die Fruchtqualität ebenso wie den Blütenknospenansatz fürs nächste Jahr.
Mit Säulenäpfeln gestalten
Säulenapfelbäume sind sowohl zur Blütezeit als auch mit Früchten ein attraktiver Blickfang. Sie können die schlanken Säulen einzeln pflanzen, in kleinen Gruppen oder sogar als fruchtende Hecke. Der Abstand von Baum zu Baum sollte etwa 1 m betragen, in Hecken mindestens die Hälfte. Sie können die schlanken Apfelbäume z.B. auch als Eckpunkte Ihrer Gemüsebeete verwenden oder als „Türwächter“ rechts und links vor die Laube pflanzen.
Säulenäpfel lieben (wie andere Apfelbäume auch) einen warmen, sonnigen, luftigen Standort und nahrhafte, lehmige Böden. Wenn Sie sie regelmäßig gießen und düngen, gedeihen sie aber auch auf Sandböden zufriedenstellend. Der Standort darf weder extrem nass noch zu trocken sein und sollte nicht von Wühlmäusen heimgesucht werden.
Sortenvielfalt
Oft wird die Frage gestellt, welche Sorte besonders empfehlenswert sei. Eine Antwort darauf ist schwierig, denn jede Sorte hat ihre Stärken und Schwächen. Geht es vor allem um die Zierde, kommen neben den üblichen Sorten mit grünem Laub und rosa-weißen Blüten auch die rotlaubigen Sorten infrage, die besonders attraktive, rosarote Blüten besitzen. Ihre Äpfel eignen sich zur Verarbeitung, sind aber meist nicht sehr groß und relativ sauer – als Tafeläpfel werden sie daher nicht sehr geschätzt.
Die Äpfel vieler Säulensorten schmecken eher süßlich, manche aber auch säuerlich, je nachdem, welche Sorten als Eltern eingekreuzt wurden. Es wurden Sorten mit Früchten von Grün über Gelb, Gelb/Rot und Hellrot bis zu tiefem Violettrot gezüchtet. Die meisten reifen früh bis mittelfrüh und eignen sich nicht zur Lagerung. Sie sollten also im September/Oktober verzehrt werden.
Es gibt Sorten für jeden Geschmack – und jährlich kommen neue hinzu. Es spricht also nichts dagegen, dem ein oder anderen Säulenapfel mal ein Plätzchen in Ihrem Garten einzuräumen.
Heinrich Beltz
Landwirtschaftskammer Niedersachsen
Niedersächsische Gartenakademie
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"Unechtes" SäulenobstAls die Säulenäpfel auf den Markt kamen, waren sie ein großer Erfolg, und es regte sich schnell die Nachfrage nach Säulen-Sorten anderer Obstarten. Da sich die Wuchseigenschaften der Säulenäpfel nicht in andere Gattungen einkreuzen lassen, begannen viele Baumschulen, junge Obstbäume, etwa von Birnen, Kirschen oder Pflaumen, säulenförmig anzuziehen und als „Säulenobst“ anzubieten.
Manche der Sorten wie die Nektarine ‘Alice Col’, die Sauerkirsche ‘Jachim’, die Pflaume ‘Safira’ sowie einige Birnensorten besitzen zwar von Natur aus einen besonders schlanken, säulenförmigen Wuchs, allerdings bilden sie im Gegensatz zu den Säulenäpfeln lange Internodien und viele Seitentriebe.
Der Schnitt funktioniert bei den säulenförmig wachsenden Steinobstsorten und Birnen im Prinzip genauso wie bei Sorten mit herkömmlichem Wuchs: Der neu gewachsene Terminaltrieb, also die Verlängerung der Mitte, muss jährlich auf etwa 50 cm zurückgeschnitten werden. Bei Bedarf müssen Sie ihn stäben, sodass er gerade wächst. Zudem müssen Sie die Seitenzweige im Sommer auf etwa 20 cm einkürzen, damit sie nicht verkahlen. Im kommenden Frühjahr schneiden Sie die Seitenzweige dann bis auf wenige Knospen des Neutriebs ein zweites Mal zurück.
Auf diese Weise können Sie vor allem aus Birnbäumen durchaus Pflanzen formen, die den Säulenäpfeln ähneln. Der Aufwand ist aber deutlich höher, und das Risiko, dass das Seitenholz verkahlt, ist besonders bei Steinobstsorten groß. -
BuchtippsBeltz, Heinrich: „Zwerg- und Säulenobst. 170 Sorten für den kleinen Garten“. 128 Seiten. 180 Farbfotos. Preis: 16,90 Euro. Verlag Eugen Ulmer, Stuttgart. ISBN 978-3-8001-0855-8.
Beltz, Heinrich: „Spalierobst im Garten: Sorten, Pflege, Schnitt“. 128 Seiten. Preis: 14,95 Euro.
BLV Verlag, München.
ISBN 978-3-8354-0921-7.