Resistent, gut vermehrbar und dekorativ
Über Ziele und Methoden der Zierpflanzenzüchtung
Jedes Jahr flattern die bunten Garten-Prospekte mit vielen neuen Zierpflanzenarten und -sorten für die kommende Saison ins Haus. Manch einer wundert sich vielleicht, wie diese Neuheiten entstanden sind. Christiane Breder, Redakteurin des Verlages W. Wächter, sprach mit Professor Dr. Günter Schumann, Direktor des Institutes für Züchtungsforschung an gartenbaulichen Kulturen und Obst in Quedlinburg, zugehörig zum Julius-Kühn-Institut (JKI), Bundesforschungsinstitut für Kulturpflanzen.
Welches sind die Ziele der heutigen Pflanzenzüchtung im Zierpflanzenbereich?
Die Ziele gibt der Handel vor. Die Pflanzen sollen einheitlich, gut transportfähig und gut lagerfähig sein. Nehmen Sie als Beispiel den Weihnachtsstern. Es sollen auf möglichst wenig Platz möglichst viele Pflanzen transportiert werden. D.h. der Wuchs muss gedrungen, kompakt sein.
Foto: Bakker Holland
Für den Handel ist außerdem wichtig, dass eine gewisse Angebotskontinuität vorherrscht. So sollen Gerbera-Sorten oder Rosen möglichst das ganze Jahr über als Schnittblumen zu kaufen sein.
Wenn der Handel entschieden hat, wohin die Reise gehen soll, kommen die Produzenten zum Zuge. Die unterliegen allerdings den Bestimmungen des Gesetzgebers, was z.B. den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln oder Maßnahmen, möglichst wenig Energie zu verbrauchen, angeht. „Ressourcenschonende Produktion“ lautet hier der Fachbegriff.
Für den Produzenten sind außerdem eine gute Vermehrbarkeit der Pflanzen und eine gute Qualität entscheidend. Hier geht es z.B. um Robustheit gegenüber widrigen Witterungsbedingungen oder um Resistenzen gegen Schaderreger.
Und inwieweit wird der Verbraucher berücksichtigt?
Der Verbraucher ist das letzte Glied in der Kette. Er liebt natürlich Neuigkeitseffekte: Die Pflanze soll besonders ästhetisch sein, einen besonderen Duft oder ausgefallene Blütenformen und -farben haben ... Doch die Hobbygärtner nehmen inzwischen nicht mehr alles, was auf dem Markt angeboten wird: Das Umweltbewusstsein hat sich gewandelt, viele hinterfragen, woher die Pflanzen kommen und lehnen lange Transportwege ab.
Dennoch erwartet der Verbraucher z.B. bei Schnittblumen eine lange Haltbarkeit, und Topfpflanzen sollen u.a. pflegeleicht sein. Natürlich schaut er auch auf den Preis. Doch hier kann ich nur die Empfehlung geben: Gehen Sie in Fachmärkte, auch wenn die Pflanzen dort teurer sind, sie haben dafür meistens eine bessere Qualität. Billigware lässt oftmals in der Qualität zu wünschen übrig.
Mit welchen Methoden wird in der Züchtung gearbeitet?
Foto: N.L. Chrestensen
Nehmen wir zunächst Pflanzen, die vegetativ über Stecklinge vermehrt werden, z.B. den Weihnachtsstern. Dort ist ja inzwischen eine immense Vielfalt an Farben auf dem Markt.
Eine Methode ist, die Pflanzen mit Röntgenstrahlen zu behandeln. Dadurch werden Mutationen ausgelöst, die Farbveränderungen der dekorativen Hochblätter bewirken können – bei denen es sich nicht um die Blüten handelt, die sind klein und unauffällig. So kann eine neue Sorte entstehen. Vermehrt man diese Mutanten – also Pflanzen mit verändertem Genmaterial – vegetativ, wird diese Verfärbung an die Stecklinge weitergegeben.
Bei Pflanzen, die generativ vermehrt werden, also über Bestäubung, werden bestimmte Merkmale gezielt gekreuzt. Dazu gehören viele Gartenstauden wie Sommerastern, Levkojen oder Christrosen, Beetpflanzen wie Veilchen und Primeln sowie Topfpflanzen wie Alpenveilchen. Aber auch bei Pelargonien, die als Sorte ausschließlich vegetativ vermehrt werden, tragen Einkreuzungen zu neuen Blüten- und Blattformen bei.
Auch bei Resistenzen gegenüber Krankheiten oder Wuchsformen kreuzt man Arten oder Sorten bewusst, um bestimmte Züchtungsziele zu erreichen. Das dauert allerdings Jahre und ist mit hohen Kosten verbunden.
Werden auch gentechnische Methoden eingesetzt?
Ja, aber mehr im Forschungsbereich. Noch kann man in Deutschland keine sogenannten transgenen Zierpflanzen – bei denen ein Gen einer anderen Art eingebracht wurde – kaufen. Ich persönlich sehe allerdings das Risiko für Mensch und Tier hier nicht so groß wie bei Nutzpflanzen, da Zierpflanzen ja nicht gegessen werden.
Foto: Gärtner Pötschke
Inwieweit spielen in der modernen Züchtung Wildarten oder alte Sorten eine Rolle?
Die spielen eine große Rolle! Hier handelt es ich um wertvolles genetisches Material. Betrachten wir wieder die Pelargonien, z.B. die Gruppe der stehenden Pelargonien, Pelargonium zonale, oder die Gruppe der hängenden Pelargonien, Pelargonium peltatum. Die wurden aus verschiedenen Arten gekreuzt. Die Wildarten selbst sehen ganz anders aus, die kennt man gar nicht mehr.
Heute gibt es Pelargonien mit einer Vielzahl von verschiedenen Rottönen, aber so richtig aufregend sind die nicht. Man kann sagen, dass die Pelargonien-Züchtung heutzutage stagniert. Die Züchtung hat zu einer genetischen Einengung geführt. Jetzt wird deutlich, wie wichtig das Genmaterial der Wildarten ist, damit Rückkreuzungen möglich sind und neue genetische Variabilität entsteht.
Wird denn schon gezielt auf Genmaterial von Genbanken zurückgegriffen?
Für landwirtschaftlich genutzte Kulturarten gibt es bereits Genbanken. Jetzt will das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz im Rahmen der nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt auch eine Genbank für Zierpflanzen einrichten. In einem dezentralen Netzwerk sollen zierpflanzengenetische Ressourcen erfasst und koordiniert werden. Der Staat hat erkannt, wie wichtig die genetischen Ressourcen auch im Zierpflanzenbereich sind.
Nun wird geschaut, welche Arten und Sorten für Deutschland wichtig sind, welche Firmen Pflanzen züchten und eingebunden werden können, welche Arten evtl. über internationale Abkommen gesichert werden können.
Inwieweit wird heutzutage gezielt gezüchtet, und inwieweit spielt auch der Zufall bei der Entstehung bestimmter Merkmale eine Rolle?
Foto: Kiepenkerl
Früher war es mehr der Zufall, der zu neuen Merkmalen geführt hat. Heute werden konkrete Ziele definiert, und dann wird züchterisch daran gearbeitet, diese Ziele zu erreichen.
Was versteht man unter „Smart Breeding“, und spielt diese Methode im Zierpflanzenbereich eine Rolle?
Beim „Smart Breeding“ wird das Erbgut von Pflanzen analysiert. Mithilfe sogenannter molekularer Marker werden die für bestimmte Merkmale verantwortlichen Gene identifiziert und dann gezielt Kreuzungspartner ausgewählt. Auch nach der Kreuzung wird das Erbgut des entstandenen Hybriden auf die gewünschten Merkmale hin durchsucht.
Bei landwirtschaftlich genutzten Kulturen ist diese Methode bereits etabliert. Im Zierpflanzenbereich wird sie noch sehr wenig eingesetzt und wenn, dann bei großen Zierpflanzengruppen. Bei Rosen ist die Erbgutanalyse beispielsweise bereits weit fortgeschritten. Ein Zuchtziel sind Rosen, die gegen Sternrußtau resistent sind.
Inwieweit beeinflusst der Klimawandel Züchtungsziele?
Eine Gefahr sehe ich darin, dass neue Schaderreger hier Fuß fassen könnten: pilzliche Erreger, Thripse, Blattläuse, die andere Viren übertragen als bisher. Eventuell müssen dann andere Resistenzen gezüchtet werden. Das ist aber im Zierpflanzenbereich nicht so wichtig wie bei Gemüsepflanzen.
Bei diesen Anbietern finden Sie Neues und Bewährtes:
- Bakker Holland
Tel. 0 41 02/49 91 11
www.bakker.de
- Bingenheimer
Tel. 0 60 35/18 99-0
www.oekoseeds.de
- Bruno Nebelung
Kiepenkerl-Pflanzenzüchtung
Tel. 0 26 61/9 40 52-84
www.kiepenkerl.de
- N. L. Chrestensen
Tel. 03 61/5 10 15
www.gartenversandhaus.de
- Flora Frey
Tel. 03 37 01/33 89-7 00
www.florafrey.de
- gartenfreundeshop
0 26 61/9 40 52-11
www.gartenfreundeshop.de
- Gärtner Pötschke
Tel. 0 18 05 /8 61-1 00
(14 Ct/Min. dt, Festnetz, max. 42 Ct/Min. Mobilfunk)
www.poetschke.de
- Carl Sperling
& Co. GmbH
Tel. 03 37 01/33 89-8 90
www.sperli.de
- Tom-Garten
Tel. 0 26 61/9 40 52-23
www.tom-garten.de