Grund und Boden als Gemeingut – ist Erbbaurecht ein möglicher Weg zu mehr Wohnraum? - 03.01.2019

 

Wolfgang Kuhn Rolf Novy-Juy

Grund und Boden als Gemeingut – ist Erbbaurecht ein möglicher Weg zu mehr Wohnraum?

Rolf Novy-Huy, Vorstand der Stiftung trias, setzt sich seit 2002 dafür ein, dass der Boden in Deutschland Gemeingut wird. Wolfgang Kuhn, Präsident des Eigenheimerverbandes Bayern, vertritt die Interessen von 80.000 Personen, die ihr Wohneigentum selbst nutzen. In einem Interview wollten wir von Beiden wissen, ob das Thema „Erbbaurecht“ ein möglicher Weg zu mehr Wohnraum in Deutschland sein könnte.

Wie revolutionär ist die Forderung, dass Boden Gemeingut sein sollte?

Kuhn:

Die Forderung ist keineswegs revolutionär. Schon die Bayerische Verfassung fordert in Artikel 106:

(1) Jeder Bewohner Bayerns hat Anspruch auf eine angemessene Wohnung.

(2) Die Förderung des Baues billiger Volkswohnungen ist Aufgabe des Staates und der Gemeinden.

Um diesem Auftrag der Bayerischen Verfassung gerecht zu werden, ist es wichtig, selbstgenutztes Wohneigentum zu fördern und zu sichern. Es ist jedoch nicht in Ordnung, wenn der Boden und die Wohnungen zu einem Spekulationsobjekt verkommen, mit dem Investoren lediglich Gewinn maximieren. Das widerspricht auch Artikel 161 der Bayerischen Verfassung, in dem es ganz klar heißt:

(1) Die Verteilung und Nutzung des Bodens wird von Staats wegen überwacht. Missbräuche sind abzustellen.

(2) Steigerungen des Bodenwertes, die ohne besonderen Arbeits- oder Kapitalaufwand des Eigentümers entstehen, sind für die Allgemeinheit nutzbar zu machen.

Novy-Huy:

Grund und Boden als Gemeingut zu betrachten ist eine gesellschaftlich seit langem diskutierte Frage. Eine parteiübergreifende sogenannte „Bodenfraktion“ um Adolf Damaschke hat sich bereits in der Weimarer Republik dafür eingesetzt. Der Ökonom Franz Oppenheimer beeinflusste mit dieser Haltung die Gründung Israelischer Kibbuzim. Grund und Boden nicht mehr als Privatgut zu betrachten, welches, je nach Lage und Entwicklung zu leistungslosem Einkommen verhilft, findet auch in konservativen Kreisen Zuspruch. Eine freie Wirtschaft, die Verfügung durch Private und Gewerbe sind auch im Erbbaurecht ohne weiteres darstellbar. Die Erträge aus dem Boden, die sogenannte „Bodenrente“, sollte jedoch dem Gemeinwesen zufließen. Hinsichtlich der Verfügungsgewalt muss gelten: Gemeinwohl geht dem Wohl des Einzelnen vor.

Viele Kommunen haben in der Vergangenheit ihre Kassen saniert, indem sie Wohnungen und Baugrundstücke verkauft haben. Warum sollte eine Kommune auf diese Erlöse verzichten und die Grundstücke nur noch im Erbbaurecht vergeben?

Kuhn:

Die Kommunen verlieren sowohl jetzt, als auch langfristig sehr viel mehr Gestaltungsspielraum, als sie kurzfristig durch die Verkaufserlöse gewinnen. Wenn die Kommune die Grundstücke behält, behält sie auch die Steuerungsmöglichkeit in der Stadtentwicklung.

Novy-Huy

Dem stimme ich zu. Hier hat auch bereits ein Umdenken stattgefunden. Der Übergang der gemeindlichen Haushaltsrechnung von der Kameralistik zur sogenannten Doppik, also der doppelten Buchführung, erleichtert eine solche Handlungsweise. Die „kaufmännische“ Bilanzierung bildet die Werte des Bodens realistischer ab. Erste Kommunen haben sich so weit von Unterfinanzierung erholt, dass sie sogar vorsichtig eine neue Bodenpolitik, einschließlich des Zukaufs von Grundstücken, beginnen.

Widerspricht die Idee, öffentlichen Grund nur noch im Erbbaurecht zu vergeben, nicht den Interessen Ihrer Mitglieder, denen ja in der Regel der Grund gehört?

Kuhn:

Als Präsident des Eigenheimerverbandes fordere ich für unsere Mitglieder natürlich Verlässlichkeit. Wer sich ein Baugrundstück und ein Haus erspart hat, der braucht Planungssicherheit für sich und seine Erben. Bei der Frage des Bodenrechts und der Gestaltungsfähigkeit der Kommunen spielt es jedoch keine Rolle, wenn selbstgenutztes Wohnungseigentum im Eigentum unserer Mitglieder und ihrer Kinder bleibt. Nicht nachvollziehbar für mich ist allerdings, wenn Investmentfirmen große Teile des Bodens besitzen und - zum Nachteil der Gesellschaft - bei der Bebauung nur die Gewinnmaximierung im Auge haben. Das ist eine Entwicklung, die auch unseren Mitgliedern und allen Steuerzahlern, schadet. Unabhängig, ob sie zur Miete oder in einer Eigentumswohnung leben.

Inwiefern?

Der Boden ist im Gegensatz zu anderen Kapitalgütern nicht vermehrbar. Und er ist schon gar nicht für den internationalen Kapitalmarkt geeignet. Warum ist Boden in Deutschland und in unseren Städten so ein begehrtes Gut für ausländische Investoren? Das liegt vor allem an der großen Stabilität und dem sozialen Frieden in unserem Land. Es ist doch ungerecht, wenn Krankenschwestern, Erzieherinnen und Polizisten – also diejenigen, die diesen sozialen Frieden jeden Tag aufs Neue mit ihrer Arbeit sicherstellen – sich das Wohnen hier nicht mehr leisten können, weil wir zulassen, dass internationale Investoren und Spekulanten in unserem Land die Preise nach oben treiben. Das Geld, das in teure Mieten und teilweise ins Ausland fließt, fehlt hier bei der Kaufkraft der Bevölkerung. Viele Menschen können sich trotz guter Berufsausbildung die horrenden Mieten nicht mehr leisten. Das Wohngeld, das sie dann bekommen, das zahlen aber nicht die Investoren, sondern das zahlen die Arbeitnehmer mit ihren Steuergeldern.

Kommt die Idee, das Erbbaurecht wieder stärker zu nutzen, zu spät?

Kuhn:

Hans-Jochen Vogel hat bereits in den 1970er Jahren gefordert, das Bodenrecht zu ändern. Leider ist diese Initiative im Sande verlaufen und seitdem wurden viele Weichen falsch gestellt. Zu viel Wohnraum und Grund der öffentlichen Hand, egal ob bei Bund, Ländern und Kommunen und vor allem bei den vielen Grundstücken der Deutschen Bahn, wurde verkauft. Umso wichtiger ist es, jetzt beherzt die Weichen wieder in die richtige Richtung zu stellen. Wir müssen dafür sorgen, dass Kommunen wieder innerstädtische Grundstücke kaufen. Neben dem Erbbaurecht müssen Instrumente wie die Bodenvorratspolitik, der städtebauliche Vertrag, die Gestaltung der Bebauungspläne und das kommunale Vorkaufsrecht angewandt werden, um dem Ziel des Artikel 106 der Verfassung wieder näher zu kommen.

Novy-Huy:

Wir haben uns seitens der Stiftung trias, zusammen mit anderen, seit vielen Jahren für eine stärkere Anwendung des Erbbaurechts stark gemacht. In Zeiten neoliberaler Wirtschaftspolitik hatten wir aber keine Chance auf Gehör. Es ist spät. Viele Kommunen haben ihren Grundstücksbestand fast vollständig verkauft. Aber es ist nicht zu spät. Wir leben in aufregenden Zeiten. Die Frage: „Wem gehört der Boden?“ oder „Wem gehört die Stadt? bekommt unter dem Aspekt vieler, sich teilweise widersprechender Bedürfnisse eine neue Brisanz. Flächenschonung kontra Wohnungsmangel. Klimagerechte Stadt kontra Bodenansprüchen für Wirtschaft und Verkehr. Aber auch ein wachsendes Bewusstsein der Zivilgesellschaft auf Anspruch am Boden zeigt dies und macht deutlich, dass vielseitige gesellschaftliche Ansprüche an die Bodenverteilung auch eine neue demokratische Haltung zum Bodeneigentum, seiner Verteilung und seiner Nutznießung erfordern. Das Erbbaurecht – 2019 wird es 100 Jahre alt – bietet dazu ein ausgezeichnetes Instrument.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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